Ancient BladesDie Metropole der Diebe
sorgte, dass sie niemals enkommen konnten, ganz egal auf welche Weise.
Am liebsten hätte er dem Ritter einen Schlag ins Gesicht versetzt oder ihn einfach nur beschimpft. Natürlich hätte das gefährlich sein können. Aber seine Wut war einfach zu groß, um sie herunterzuschlucken. Seit sie sich kennengelernt hatten, hatte Croy still und leise die Nase über sein Leben gerümpft. Es war Zeit, ihm zu demonstrieren, wie die Welt wirklich war. »Komm. Ich will dir etwas zeigen.«
Er hatte wirklich keine Zeit für diesen Blödsinn. Aber der Ritter hatte eine empfindliche Stelle getroffen, und er wollte den Narren ein für alle Mal mit der Nase auf die Wirklichkeit stoßen. Er führte ihn zur tiefsten Stelle der Mistallee, wo die Müllsammler schufteten.
Eine Stadt von der Größe der Freien Stadt Ness hinterließ jeden Tag einen ganzen Berg Müll. Auch wenn die Bürger nie etwas wegwarfen, das man reinigen und noch einmal benutzen konnte, fielen dennoch ganze Wagenladungen an Abfall an – verfaultes Holz, rostiges Eisen, Eierschalen und Fischgräten waren nur bedingt nützlich. Im Hunnicarhof türmten sich ganze Berge aus fauligem Gemüse, zerbrochenen Flaschen und den nicht verwerbaren Teilen von Schweine- und Kuhkadavern. Die Arbeit der Müllsammler nahm nie ein Ende.
Alte Männer in Kitteln, matronenhafte Frauen mit Unterarmen wie Mörserkeulen und ihre dürren Kinder, sie alle standen bis zu den Oberschenkeln im Dreck und arbeiteten. Ihre Rücken waren mit einer dicken Fliegenschicht bedeckt. Mit bloßen Händen durchwühlten sie den Abfall und suchten nach jedem Stück Knochen, das man noch zu einem Löffel schnitzen konnte, oder nach zerrissenen, verklumpten Lumpen, die man auftrennen konnte, um daraus Papier zu machen. Es gab Legenden über Müllsammler, die im Dreck Goldmünzen gefunden hatten oder – wenn sich der Erzähler dramatisch über ein Feuer beugte – Menschen am Grund des Mülls, die sich noch schwach bewegten und kaum hörbar um Hilfe flehten.
Eine Palisade umgab die Müllberge, und an ihrem Tor stand ein Wächter mit einer Keule, der die Karren begutachtete, die mit Abfall beladen die Allee hinunterfuhren. Der Mann musterte den Dieb und den Ritter mit misstrauischen Blicken.
»Diese Leute gehören zu den am härtesten arbeitenden Menschen dieser Stadt«, sagte Malden, während Croy entsetzt hinstarrte. »Sie schuften in Schichten, um zu gewährleisten, dass nichts übersehen wird. Ihre Körper sind krank und aussätzig, sie essen nichts außer dünner Suppe, und sie sterben Jahre früher als alle anderen, weil sie nur diese üblen Dünste einatmen. Sie plagen sich in der Hitze des Sommers, und wenn der Winter kommt, schaufeln sie den Schnee von diesem Hügel und durchwühlen den Unrat mit fingerlosen Handschuhen. Das tun sie nicht für Ruhm, Ehre, Liebe oder Gerechtigkeit. Sie tun es, damit sie auch am nächsten Tag etwas zu essen haben.«
»Aber Malden, das ist ja schrecklich«, jammerte Croy. »Ich hatte keine Ahnung. Sind sie Sklaven, dass sie diese Arbeit verrichten müssen? Ich dachte, in Ness gäbe es keine Sklaven.«
»Das sind sie auch nicht. Niemand zwingt sie zu diesem Leben. Tatsächlich haben die Müllsammler ein Patent des Burggrafen, das ihnen als Einzigen das Recht verleiht, diese Arbeit zu tun. Würden du oder ich jetzt in den Müll waten, um dort nach Schätzen zu suchen, würden sie uns mit Knüppeln und Steinwürfen verjagen. Sie töten jeden, der versucht, ihnen ihren Lebensunterhalt streitig zu machen. Generationen von Männern haben diese Abfallberge durchsucht – wenn ein Vater stirbt, gibt er sein Patent an die Söhne weiter. Und die sind froh darüber, denn dann wissen sie, dass sie ihre Kinder ernähren können.«
»Also betrachten sie ihre Arbeit mit Stolz«, sagte Croy und hob das Kinn. »Das finde ich bewundernswert.«
Malden schüttelte den Kopf. »Verstehst du nicht, was ich dir sagen will? Hierfür gibt es Konkurrenz. Leute, die bereit sind, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, um sich mitten in der Nacht hier einzuschleichen und zwischen verrosteten Nägeln und Hühnereingeweiden herumzuwühlen. Weil ihr eigenes Leben noch viel schlimmer ist.«
Croy schwieg für eine kurze Weile, bevor er weitersprach. »Die Göttin teilt jedem von uns sein Los im Leben zu, und ihr Überfluss ernährt uns alle. Das glaube ich, und darum lebe ich.«
Zitierte er aus einem Messbuch? Malden lauschte den Schmeicheleien der Priester schon lange nicht mehr – seitdem er erkannt
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