Ancient BladesDie Metropole der Diebe
hatte. »Dort finden wir Schläger, die sich für ein paar Münzen verdingen. Ich brauche Männer, die gut mit Waffen umgehen können, um gegen Hazohs Gefolge zu kämpfen – und gegen Bikker, wenn wir schon dabei sind.«
»Gewöhnliche Straßenschläger? Die können doch keinen Augenblick lang gegen Bikker bestehen.«
»Nun, dafür werden sie ja auch bezahlt. Um für eine sinnlose Sache zu sterben. Die Kaschemme liegt gleich dort vorn. Sie müssen bloß lange genug durchhalten, um die Wächter zum Senken der magischen Barriere zu veranlassen. Wenn sie sterben, sobald ich drinnen bin, haben sie ihren Zweck erfüllt. Das Geld, das ich ihnen bezahle, bekommen dann ihre Mütter, Witwen oder Waisen, such dir was aus.«
Croy schüttelte den Kopf. »Nein, warte, Malden! Das meine ich ernst. Wenn du gegen Bikker antrittst, brauchst du mehr als eine Handvoll tapferer junger Männer mit Stiletten. Ich lasse nicht zu, dass du Menschenleben für ein Ablenkungsmanöver wegwirfst.«
»Mehr kann ich mir aber nicht leisten.« Malden wandte sich zu dem Ritter um. »Du musst etwas begreifen, Croy. Ich weiß, dass es dir in deinem ganzen Leben noch nie an etwas mangelte. Du hattest einen starken Arm und ein Schwert in der Hand, seit du ein Säugling warst. Jede Schwierigkeit, die sich ergab, war mit einem Schwerhieb oder einem Beutel voller Gold zu lösen. Also musstest du nie lernen, wie man überlebt. Hier unten im Stinkviertel kennen wir aber nichts anderes. Diese Kinder da eben im Aschehaufen – die wissen bereits mehr, als du jemals erfahren wirst.«
»Bei dir klingt das so, als wären sie blutdürstige Wilde.«
»Ja! Denn genau das sind sie. Sie sind bestens für das Leben geeignet, in das man sie hineingestoßen hat. Ich gebe zu, es ist ein hässliches Leben, aber es gehört ihnen.«
»Sie brauchen doch bloß ein bisschen Mitgefühl. Ich war immer schon der Meinung, dass das mehr wert ist als Geld.«
»Glaubst du ernshaft, ein paar Süßigkeiten und eine herzergreifende Geschichte über tapfere Herzen ändern etwas an ihrer Misere?«, wollte Malden wissen. »Sie gehören zu den wenigen Menschen in dieser Stadt, die im Leben eine noch schlechtere Chance als ich haben. Sie werden nie etwas anderes als Betler sein. Oder Diebe, wenn sie Glück haben. Und das nur, weil ihre Eltern vor ihrer Zeit gestorben sind. Verrate mir, wo da die Gerechtigkeit bleibt. Verrate mir, warum sie nicht zu Wilden werden sollten, wenn ihnen das beim Überleben hilft.«
Einen Augenblick lang sah Croy verwirrt aus. Dann nickte er, als wäre ihm die perfekte Antwort eingefallen. »Betteln ist nichts Unehrenhaftes«, meinte er, »auch wenn das der Platz ist, den einem die Göttin im Leben zuweist.«
»Die Göttin …« Malden konnte sich gerade noch beherrschen, bevor er Croy genau schilderte, was die Göttin seiner Meinung nach tun konnte. So wie er den Ritter kannte, würde er das vermulich als Gotteslästerung betrachten und ihn auf den nächsten Scheiterhaufen bringen. »Verrate mir eines«, sagte er stattdessen. »Hat mich die Göttin zum Dieb gemacht?«
Wieder erschien Croy verwirrt. »Nun, nein. Denn in ihren Augen ist Diebstahl eine Sünde. Du hättest dich stattdessen für ein ehrliches Handwerk entscheiden sollen.«
»Wäre mir klar gewesen, dass es so einfach ist, wäre ich Goldschmied geworden«, erwiderte Malden höhnisch. »Glaubst du nicht, das hätte ich nicht versucht?«
»Anscheinend nicht energisch genug.«
Malden schoss das Blut ins Gesicht. Wie konnte es dieser alberne Ritter wagen, ihm das zu sagen? Was wusste er denn schon, was Malden zum Leben eines Verbrechers getrieben hatte? Wie konnte er es wagen, über ihn zu richten?
Aber natürlich kannte er die Antwort darauf. In Croys Welt waren die Armen einfache, ehrliche Leute, deren Horizont viel zu begrenzt war, um etwas anderes tun zu können als sich abzuschuften und den Boden zu bestellen. Ritter und Adlige waren da, um sich wie wohlmeinende Eltern um sie zu kümmern. Für sie die Entscheidungen zu treffen, da sie nicht dazu in der Lage waren, das selbst zu tun.
In Maldens Welt – die Welt, die er sah, seit ihm Cubill die Augen geöffnet hatte – waren Menschen wie er Gefangene, eingesperrt im Kerker der Armut. Und Leute wie Croy waren die Kerkerwärter, die dafür sorgten, dass keiner entfliehen konnte. Die Göttin, die Gotheit, die Croy so inbrünstig anbetete, war die Oberaufseherin dieses Kerkers, die jedem ihrer Gefangenen seine Zelle zuwies – und dafür
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