Ancient BladesDie Metropole der Diebe
der Grund für diese Tradition. Ich gehe nicht davon aus, dass dein Verstand begreift, was passiert, wenn man Macht durch die Spalten im Fundament unseres zerbrochenen Kosmos absaugt, aber das Prinzip hast du richtig erkannt. Vielleicht solltest du dich stählen, um einen Blick darauf zu werfen, was sich unter meinem Schleier befindet.«
Maldens Magen verkrampfte sich, als Hazoh den schwarzen Stoff vor dem Gesicht berührte. Für einen so mächtigen Zauberer wie Hazoh musste der Preis der Magie unermesslich hoch gewesen sein. Würde er Haut zeigen, die so schuppig und glänzend war wie die einer Natter? Floss dort Eiter, gab es offene Wunden, die sich niemals schlossen, oder gar Narben, die so tief waren, dass der Schädelknochen freilag? Hatte das Gesicht überhaupt Ähnlichkeit mit dem eines Menschen?
Dann wurde der Schleier hochgeschoben, und Malden sah Hazohs Gesicht und keuchte überrascht auf. Denn die enhüllten Züge waren vollkommen.
Es war das Gesicht eines Halbgotts. Die Wangenknochen saßen hoch, die klaren blauen Augen standen im richtigen Abstand auseinander, die Nase war kräftig, stach aber nicht zu sehr hervor. Die Haut war so klar wie Milch, ohne dass irgendwo ein Makel zu sehen war. Es war ein Gesicht der Jugend, des Mitgefühls, auch der angeborenen Güte und des Anstands – abgesehen von den Augen, die so hart wie Stahl blickten.
»Ich trage diesen Schleier«, sagte Hazoh, »weil mich niemand ernst nähme, täte ich es nicht. Man hielte meine Macht für unbedeutend und meine Magie für unerprobt. Wobei tatsächlich das Gegenteil zutrifft. Wenn man mächtig genug wird, ist man in der Lage, das Aussehen nach eigenen Wünschen zu formen. Und ich bin in der Tat sehr mächtig. Soll also Anselm Vry an meine Tür kommen, so wie du. Ich werde ihn einlassen, und sollte er mich ärgern, werde ich ihn wie eine lästige Fliege beseitigen.«
Kapitel 49
Hazoh stand auf und trat zu einem Regal. Er strich mit dem Finger über eine Reihe von Buchrücken, bevor er einen schlanken Band auswählte und herauszog. »Es war gut von dir, herzukommen und mich zu warnen, Junge. Allerdings war es auch unnötig. Hast du noch etwas zu sagen, bevor du gehst? Du darfst sprechen.«
Malden biss sich auf die Lippen. Jetzt galt es mit Umsicht zu handeln. »Dann kann ich Euch nur bitten, Magus. Euch anflehen, wenn es sein muss. Ich stecke in großen Schwierigkeiten, Schwierigkeiten, in welche ich in Euren Diensten verstrickt wurde. Berechtigt mich das nicht, eine gewisse Berücksichtigung zu erhoffen? Es wäre für Euch doch eine Kleinigkeit, mir den Schutz Eures Hauses zu gewähren. Ich könnte für Euch arbeiten, was immer Ihr für angemessen haltet.«
»Eine Anstellung? Du willst eine Anstellung? Aber, lieber Junge, die hattest du doch schon. Und wenn sie Risiken barg – darüber wusstest du vorher Bescheid. Vielleicht willst du behaupten, dass dir das Ausmaß deines Verbrechens nicht bewusst war. Nun, bedenkt man einmal deine eingeschränkten Möglichkeiten, ist das allerdings verständlich. Komm her!«
Maldens Beine bewegten sich auf den Zauberer zu. Er hatte der Anweisung ohnehin folgen wollen, aber anscheinend wollte der Zauberer ihn trotzdem zwingen. Als er nur noch wenige Fuß entfernt war – in Messerreichweite, wie er bitter bemerkte –, blieben seine Beine stehen und erstarrten.
»Würde ich einen Servierjungen brauchen oder einen Knecht, der meine Ställe ausmistet, könnte ich dich mittels eines Gedankens dazu bekommen. Ich könnte dir den Verstand rauben und dich unterwürfig machen. Dich für den Rest deines Lebens in meine Dienste zwingen, und zwar auf eine Weise, die dich unerträglich glücklich machen würde. Du ständest jeden Morgen begeistert von deinem Strohlager auf und würdest den ganzen Tag für mich arbeiten, bis dir die Finger bluten würden. Wollte ich das, hätte ich damit bereits angefangen.«
Malden schluckte vorsichtig. Sein Herz raste.
»Aber das wäre eine Verschwendung. Du kannst lesen. Begreifst du, wie selten das ist? Lesen zu können ist der Unterschied, der ein Wesen in die Lage versetzt, über seine eigenen erbärmlichen Belange hinauszudenken. Der einzige Unterschied, der die Menschheit wahrlich von den Tieren unterscheidet. Irgendwie hast du diese Kunst gemeistert, und du amüsierst mich, genau wie ein dressierter Hund, der mit den Pfoten zählen kann. Also nein, ich biete dir keine Anstellung an. Oder meinen Schutz. Aber du darfst stattdessen dies haben: den größten
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