Ancient BladesDie Metropole der Diebe
hinausschauten, ließen Licht herein. Allein das Glas in diesen Fenstern musste zehnmal so viel kosten, wie ein Handwerker im Qualmbezirk im Jahr verdiente. An den Wänden standen Alabasterstatuen alter Gelehrter und Zauberer, die Malden anhand der Gegenstände in ihren Händen oder ihrer Gewänder teilweise sogar erkannte. Da war Antomach der Weise, der bewiesen hatte, dass die Sonne eine Sphäre und keine flache Scheibe war. Er war durch den Kompass zu identifizieren, den er vor den Körper hielt, die andere Hand war erhoben und mit einer Miniatursonne versehen, die über der ausgestreckten Handfläche schwebte. Malden konnte nicht erkennen, was sie dort hielt – vermulich war es Zauberei. Eine andere Statue stellte den Nekromanten Vull dar, eine Gestalt aus einem so fernen Zeitalter, dass kein Lebender mehr wusste, aus welchem Land er ursprünglich gekommen war. Er war hier in einer seiner Lieblingsgestalten dargestellt, als gewaltiger Bär mit skelettierten Menschenhänden. Andere Statuen waren in kunstvoll dargestellte Steintücher gehüllt oder erhoben sich nackt, während sich Wölfe an ihre titanischen Beine schmiegten.
In der Mitte der Halle führte eine breite Steintreppe anmutig zu einer Galerie hinauf. Dicht daneben stand etwas auf einem Steinsockel, das Malden hier völlig unpassend fand – eine Kugel aus Eisen mit verschrammter Oberfläche, die mit Rostflecken übersät war. Auf dem Boden zog sich ein Kreis aus fein gemahlenem rotem Pulver wie ein scharlachroter Schatten um den Sockel. Die Kugel durchmaß etwa fünfzehn Fuß und war so hässlich wie das spitze Ende eines Armbrusbolzens. Was sie in dieser eleganten Umgebung zu suchen hatte, blieb ein Geheimnis.
Cyheras Schritte hallten auf dem Boden, der so lange poliert worden war, bis er sich fast in eine spiegelnde Fläche verwandelt hatte. »Er wartet dort hinten auf dich«, sagte sie und zeigte auf eine hohe Tür in der Wand zu Maldens Rechten. »Verärgere ihn nicht, indem du hier herumlungerst und alles anstarrst.«
Malden nickte und ließ den Blick ein letztes Mal über die Schätze der Halle gleiten, bevor er ihr folgte.
»Du musst doch wissen, dass du hier nicht willkommen bist«, flüsterte sie ihm zu, als sie die Tür öffnete und ihn in den Raum schob. »Ich hätte dich für klüger gehalten.«
»Du hältst mich nicht für klug?«, fragte er und tat so, als hätte sie seine Gefühle verletzt. »Ich habe gewartet, bis Bikker weg ist, oder nicht? Wann erwartest du ihn übrigens zurück?«
Ihre Stirn legte sich in Falten, die allerdings nur schwer von den tätowierten Ranken zu unterscheiden waren, die von ihren Wimpern nach oben wuchsen. »Bikker? Der kommt nicht zurück.«
»Lebt er denn nicht hier? Ich dachte, er stünde in Diensten des Zauberers, so wie du.«
Sie schüttelte den Kopf. »Er ist kein Diener meines Meisters. Und ich bin keine Bedienstete.« Sie schien nicht bereit zu sein, mehr darüber zu sagen. Sie führte ihn in einen langen Korridor, dessen eine Seite von Türen gesäumt war. Weitere Fenster durchbrachen die Außenwand; das einfallende Licht wurde durch feine Vorhänge gedämpft, die von der Decke herabhingen. Zwischen den Fenstern standen kleine Tische und Schaukästen mit allen möglichen Kuriositäten, von denen Malden einige gern näher betrachtet hätte, während ihn andere wiederum zusammenzucken und schnell wegsehen ließen. In einem Kasten befand sich eine Sammlung von abgetrennten Händen, in einem anderen riesige Perlen. Auf einem Tisch erhob sich eine ausgestopfte und leblose Schlange, aus deren Maul eine mit Schnitzereien versehene weiße Jadekugel ragte. Der Sinn solcher Gegenstände – falls sie abgesehen von Dekorationszwecken überhaupt einen Sinn hatten – entzog sich ihm. Am anderen Ende öffnete sie eine weitere Tür, die in eine Bibliohek führte. Trotz seiner festen Vorsätze sah sich Malden erneut mit offenem Mund um.
Es war ein angenehmes, behagliches Gemach, wenn auch von der mehrfachen Größe des Gemeinschaftsraums in Cubills Schlupfwinkel. Kosbare Teppiche bedeckten den Boden, ein Kamin nahm die Hälfte einer ganzen Wand ein. Hier und dort standen Sofas und ledergepolsterte Stühle, wo ein Besucher Platz nehmen und lesen konnte, und von der Decke hing ein gewaltiger Wandteppich mit einer aufgestickten Welkarte, die alle Städte, Straßen und Flüsse des Königreichs von Skrae sowie der Königreiche des Nordens mit erstaunlicher Detailtreue zeigte. Was Malden allerdings an dem Raum am
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