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anderbookz Short Story Compilation

anderbookz Short Story Compilation

Titel: anderbookz Short Story Compilation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas M. Disch , Doris Egan , Gardner Dozois , Jack Dann , Michael Swanwick , Tanith Lee , Howard Waldrop , Katherine V. Forrest
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wahrzunehmen, einen Striptease aufführte, als ich hinter mir einen Pfiff und Applaus hörte. Ich drehte mich um und verbeugte mich vor dem jungen Mann in metallicgrauen Shorts. Seine Begleitung, eine ältere Dame, schob ihn eilends fort. »Du Dummkopf«, fuhr sie ihn verlegen und verärgert an. »Das ist Ceece, die Zeitstürmerin. Starr sie nicht wie ein Bauer an!« Also auch die Bürger ignorierten mich mit einer unwirklichen Höflichkeit, mit der sie mich aus ihrem Dasein zu streichen schienen.
    So vergingen drei Monate. Mark ließ mir - rücksichtsvoll wie immer - mein volles Gehalt weiterzahlen. Eines Tages suchte Banny mich auf, als ich gerade in der Zentralhalle saß. »Mark will dich sprechen«, sagte sie und reichte mir ein Taschentuch. Ich war erkältet, durfte während der Strafmaßnahme aber keinen Arzt aufsuchen. Banny war meine Sekundantin, ein heiteres, stämmiges Mädchen mit schwarzen Haaren. Sie war erst neunzehn, meines Wissens die jüngste Stürmerin. Ich hatte sie mir direkt nach ihrer Schulung ausgewählt und weiß nicht, was ich gemacht hätte, wenn ihr die Bürgerschaft auf Probe nicht gewährt worden wäre.
    »Was gibt’s denn?«, fragte ich.
    »Glaubst du, das sagt er mir?« Sie half mir auf. Ich befand mich genau in der Mitte des Zyklus; Mark hatte sich das gut überlegt. »Soll ich dir einen Rollstuhl besorgen?«
    »Ich kann gehen , hörst du!«
    »Entschuldige, Ceece, ich hab’s nicht so gemeint.«
    Gewiß hatte sie das nicht. Eine vage Erinnerung durchfuhr prickelnd meinen Hinterkopf, daß ich sie schon einmal angebrüllt - gar geschlagen hatte? Zum Teufel, wahrscheinlich hatte ich das geträumt. Meine Träume waren eh wirr in letzter Zeit.
    Ich brachte mühsam ein Lächeln hervor. »Ich weiß. Mach dir keine Gedanken um mich. Ich werde dir berichten, wie es gelaufen ist.«
    Ich beobachtete die Leute, die mir auf dem Weg zu Marks Büro begegneten. Sie beachteten mich nicht - aus Höflichkeit. Vielleicht würde man heute die »Behandlung« abbrechen. Vielleicht würde ich in wenigen Stunden wieder arbeiten können.
    Doch mit der Mühelosigkeit langer Erfahrung verwarf ich diesen Gedanken sogleich. Man weiß vorher nie, was Mark im Schilde führt.

    In Arizona, weit weg von mir, hatte Brian Cornwall seine erste Vision. Es war eine heiße Juninacht im Jahr 1957. Sein Zimmer befand sich im obersten Stock eines Mietshauses. Es war ein kleines, dunkles Zimmer mit einer Blumentapete, einer zerbrochenen Fensterscheibe und einer Vierzigwattbirne unter der Decke. Das Fenster war geöffnet.
    Er wandte sich noch einmal um und überlegte, ob er hinuntergehen solle, auf die Veranda. Niemand würde Anstoß daran nehmen. Aber die anderen Mieter mußten frühmorgens aufstehen, und er mochte es nicht, von anderen beobachtet zu werden, während er schlief.
    Endlich fiel er in einen unruhigen Schlaf. Ein Traum folgte dem anderen in einer Bilderfolge verschwommener Gestalten und Schauplätze, bis plötzlich ein Licht in sein Unterbewußtsein einbrach, ein grelles, unwiderstehliches Licht, das alle anderen, blasseren Bilder verdrängte. Er träumte, er sitze aufrecht in seinem Bett, und das Licht werde sanfter. Es durchflutete den Raum, umhüllte das Bett, den Schreibtisch, die Kommode und Bücherregale mit einem Schimmer wie nächtlicher Schneefall zu Hause in Vermont.
    Inmitten dieses Glanzes erblickte er eine Gestalt. Eine Frau in einem langen weißen Gewand, mit einer weißen Krone auf dem Kopf und ausgebreiteten Armen. Ihr Gesicht war noch verschwommen, aber er wußte, sie mußte wunderschön sein.

    Bevor man zu Mark gelangt, trifft man auf Narses, den Löwen vor dem Tor. Allerdings gleicht er eher einer schlechtgelaunten Katze, mit Krallen immerhin und ständig bereit, sie auch einzusetzen. Narses ist nie ein angenehmer Anblick, aber unter den gegebenen Umständen um so weniger. Er erinnerte mich an Byzanz.
    »Du wirst warten müssen, Ceece. Er hat eine Besprechung.« Narses behauptet, er habe im Knabenchor der Hagia Sophia gesungen. Tatsächlich ist seine Stimme immer noch Sopran, meinem Empfinden nach aber ein recht merkwürdiger Sopran. Wenn man ihn kastrierte, dann wohl eher aus politischen denn aus künstlerischen Motiven. Bevor ich Narses kannte, hatte ich mir alle Eunuchen fett vorgestellt, in mittlerem Alter, mit üppig beringten, schwammigen Händen und außerdem als nicht sonderlich klug. Narses aber war nur um etwa zehn, fünfzehn Pfund zu pummelig, recht groß für seine Herkunft,

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