Andere tun es doch auch (German Edition)
anschließend trotzdem noch mit ihren Pumps in den Hintern treten.
K AI Mist! Anrufen war keine gute Idee.
Warum weiß man es immer erst hinterher? Es lag doch auf der Hand: sich sofort am nächsten Tag bei Lara melden und sie auch noch gleich wiedersehen wollen – aufdringlicher geht es ja kaum noch. Mit der Tür ins Haus fallen mag ja seinen Charme haben, aber ich bin wohl mehr so mitsamt der Tür auf Lara draufgefallen. Hätte ich mal eine Sekunde nachgedacht, bevor ich anrufe! Eine sanfte SMS wäre viel besser gewesen. Mist, Mist, Mist!
Trotzdem, vielleicht ist noch nicht alles verloren. Ich weiß nur nicht, wie ihr »Na klar« gemeint war. Ernst oder ironisch? Am liebsten würde ich sie gleich nochmal anrufen … Warum eigentlich nicht? Ich … Nein, nicht schon wieder diese blöden spontanen Impulshandlungen. Ich warte jetzt friedlich, bis sie mich anruft, und fertig.
Die Treppen zeigen mir, wie kaputt ich bin. Selten war ich so froh, dass es hier ein Geländer gibt. Mein Sofa ahnt noch nicht, was gleich auf es zukommt.
Lalari . Ein wunderschöner Spitzname. Er klingt noch in meinem Ohr nach. Ob sie sich immer so nennt, oder nur bei Leuten, die sie besonders gern mag? Oder ist es nur »Lari« und das »la« ist französisch für »die«? La Lari . Sehr charmant.
Während ich meinen Schlüssel heraushole, schnaufe ich meine Tür so an, dass sie sich belästigt fühlen müsste. Kurz bevor ich öffne, höre ich ein Geräusch aus der Wohnung. Und gleich noch eins.
Hä?
Der Einzige, der noch einen Schlüssel hat, ist Frank. Aber der würde doch nicht …? Oder hat er sich etwa mit Irena zerstritten? Nein, bestimmt nicht. Wenn, dann hätte er angerufen. Klarer Fall: Einbrecher. Mann. Ausgerechnet heute. Muss ich jetzt wirklich mein Handy rausholen, die Polizei anrufen und mich in Sicherheit bringen? Ich könnte doch auch einfach so tun, als ob ich nichts gehört hätte, reingehen, den Kerlen »Ich stör euch nicht, ihr stört mich nicht« zuraunen und mich aufs Sofa fallen lassen. Zahlt doch eh alles die Hausrat. Oder zahlt die nicht, wenn man einfach reingeht und einen Nichtstör-Deal mit dem Einbrecher macht?
Einfach reingeht, einfach reingeht, warte mal … Ha! Doch keine Einbrecher. Angelina, die Putzfrau, hat auch noch einen Schlüssel. Und heute ist ihr Tag. Nur komisch, dass sie noch nicht fertig ist. Das war noch nie so. Im gleichen Moment höre ich drinnen den Staubsauger angehen. Nun gut. Ich schließe auf und gehe vorsichtig Richtung Schlafzimmer, von wo mir der Staubsaugerlärm entgegenbläst.
»Nicht erschrecken, Angelina.«
»Huch!«
»Tschuldigung.«
»Bin nur aus Prinzip erschrocken, weil ich mir nichts befehlen lasse.«
»Ach so.«
Ich habe sicher die ungewöhnlichste Putzfrau im ganzen Stadtviertel. Bevor sie mit diesem Job anfing, war sie zwölf Jahre lang Eckkneipenwirtin. Hatte sich so ergeben, denn in ihrer Familie gibt es eine große Eckkneipenwirtstradition. Sie machte den Job so lange, bis sie eines Tages, kurz vor Feierabend, auf den Trichter kam, dass sie in all den Jahren so von ihren Gästen vollgetextet worden war, dass ihre Aufnahmekapazität für alle Zeiten erschöpft ist. Sie warf die letzten Trinker raus und verkaufte am nächsten Tag ihren Laden mit allem Drum und Dran. Ihren Eckkneipenwirtinnenlook – Glitzer-T-Shirts, enge Jeans und tonnenschweres Make-up – gab sie ebenfalls schnell auf, genau wie das Rauchen und das Zu-jedermann-freundlich-Sein. Und nun arbeitet sie als Putzfrau und liest in ihrer Freizeit viele Bücher.
Sie liebt es, allein zu sein, und muss tagelang kein einziges Wort hören. Eine der wenigen Ausnahmen ist der Papagei in einem Familienhaushalt, den sie alle zwei Wochen beputzt, aber der redet laut Angelina weit weniger Stuss als die meisten Menschen.
Und wegen ihres großen Bedürfnisses nach Stille war es ihr immer ein Anliegen, weg zu sein, wenn ich wieder nach Hause komme. Nicht dass ich dazu neige, sie vollzutexten, im Gegenteil, aber um ein paar Begrüßungsfloskeln und etwas Höflichkeitssmalltalk kommt man bei mir nicht herum. Kinderstube und so.
»Ist ja heute etwas später geworden, was? Aber macht nichts, ein großer Junge wie ich muss jetzt noch nicht ins Bett. Nimm dir ruhig Zeit.«
»Die Zeit, die wir uns nehmen, ist die Zeit, die uns etwas gibt.«
»Bist du betrunken, Angelina?«
»Um ehrlich zu sein, ein bisschen, ja.«
»Oh, ich habe das eigentlich nur aus Spaß gesagt … Ach so, verstehe! Du auch, haha!
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