Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Andere tun es doch auch (German Edition)

Andere tun es doch auch (German Edition)

Titel: Andere tun es doch auch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
Vom Netzwerk:
durchgehalten.
    »Hallo Kai. Hast du zufällig was zu trinken dabei?«
    »Na klar. Komm, wir setzen uns auf die Bank dahinten.«
    Gesagt, getan. Die Touristen verkrümeln sich enttäuscht, die Sicherheitskräfte bleiben aber weiter misstrauisch. Nachdem wir Platz genommen haben, kippt Großonkel Karl erst mal eine halbe Flasche Mineralwasser in einem Zug herunter.
    »Ich hatte mir viel zu wenig Wasser mitgenommen. Schön dumm.«
    Das Mundstück hat einen großen Kreis um seinen Mund hinterlassen. Wenn er spricht, verformt er sich sehr lustig.
    »Sehr bemerkenswert, Onkel Karl. Die deutsche Nationalhymne auf der Basstuba.«
    »Das ist keine Basstuba, das ist ein Sousaphon.«
    »Oh, wieder was gelernt.«
    »Eine Basstuba ist viel ungünstiger zu tragen.«
    »Nicht ganz unwichtig bei den vielen Kilometern, die du heute schon zurückgelegt hast. Das sagte man mir jedenfalls.«
    Großonkel Karl winkt ab. Nicht nur sein Sternzeichen ist Stier, auch körperlich betrachtet ist er einer. Nur eben ein durch und durch friedlicher. Allerdings auch ein Experte in Sachen gewaltloser Widerstand und anarchistische Störaktionen.
    »Tja, Onkel Karl, dieses Lied in Moll zu interpretieren hat was. Meines Erachtens sehr schlüssig, dass du im A-Teil vom rein äolischen Moll abweichst und bei fallender Melodielinie die große Septime verwendest.«
    »Darüber braucht man nicht reden, das ist selbstverständlich, du kleiner Diplomingenieur … Entschuldigung, Kai, das war vielleicht schon verbale Gewalt.«
    » Diplomingenieur ist keine verbale Gewalt.«
    »Ein Künstler könnte sich dadurch diffamiert fühlen.«
    »Ich bin kein Künstler. Mein Beruf ist es, einen Sack wilder Flöhe von Mitarbeitern zu hüten und immer wieder im letzten Moment die Büropleite abzuwenden.«
    »Das stellst du jetzt aber sehr negativ dar.«
    »Ich hätte noch ein kühles Bier dabei, Onkel Karl.«
    »Wirklich?«
    »Ich denke nur, wir sollten es nebenan im Park zu uns nehmen, weil man vor dem Verteidigungsministerium bestimmt keinen Alkohol trinken darf.«
    »Stimmt, darf man nicht. Da habe ich mich vorher erkundigt.«
    Großonkel Karl steht auf und hängt sich das Sousaphon um. Mein Angebot, es für ihn zu tragen, lehnt er verächtlich ab. Ein paar Meter weiter finden wir eine Bank im Schatten.

    Ich habe noch kurz im Büro vorbeigeschaut, aber arbeiten ging nicht mehr. Zwei Nachmittagsbiere und ein langes Gespräch mit Großonkel Karl, danach ist man erst mal in einer anderen Welt.
    Was er mir erzählt hat, war in etwa das, was ich mir schon gedacht hatte: Es hat wieder irgendein Unglück mit deutschen Soldaten in Afghanistan gegeben, das darauf zurückzuführen ist, dass die Jungs nicht ausreichend auf diesen Einsatz vorbereitet waren. Ich kriege so was kaum noch mit, weil ich selten dazu komme, Zeitung zu lesen, und mir diese immer wiederkehrenden Meldungen, so traurig sie sind, kaum auffallen. Onkel Karl, der als Teenager selbst noch in den Zweiten Weltkrieg ziehen musste, kriegt dagegen alles mit. Und es bringt ihn jedes Mal aus dem Gleichgewicht. Um sich abzureagieren, muss er etwas tun. Täte er es nicht, würde er ganz schnell vom nächsten Zusammenbruch heimgesucht werden. So einfach ist das.
    Trotzdem ist es immer sehr mühsam, dies den für ihn zuständigen Altersheimbürokraten zu vermitteln. Und wenn ich mal einen von ihnen so weit habe, dass er es versteht, wechselt der bald den Arbeitsplatz oder geht in Rente, und ich muss mit dem nächsten um Großonkel Karls Altersheimplatz ringen. Aber mal sehen, vielleicht wird dieser kleine Vorfall ja ausnahmsweise nicht so hoch bewertet. Was geht es die Typen eigentlich an, dass mein Großonkel vor dem Verteidigungsministerium Sousaphon bläst? Ist ja nicht verboten.
    So, und nachdem ich nun, entgegen meinen Gewohnheiten, bereits vorgeglüht habe, will ich den Abend entspannt genießen. Ich könnte mir zum Beispiel das nächste Bier aufmachen und mir Grün wie die Liebe ansehen, denke ich, während ich die Haustür aufschließe. Die DVD liegt immer noch neben meinem Fernseher.
    Oder wäre das Verrat? Natürlich wäre es Verrat! Grün wie die Liebe kann ich mir nur mit Lara anschauen. Dazu müsste ich sie anrufen und sie fragen, ob sie Lust hat. Und während ich das denke, hat meine Hand schon mein Handy aus der Tasche geholt und ihre Nummer gewählt. Ich staune.
    L ARA    Oh, wie ich diesen Kerl hasse!
    Warum muss ausgerechnet ihm das Hotel gehören? Allein schon, dass er Eduard Rockerer heißt, wäre

Weitere Kostenlose Bücher