Andere tun es doch auch (German Edition)
man doch erst mal fragen, oder? Okay, es ist die Frau-mit-der-ich-vorgestern-geschlafen-habe-und-in-die-ich-mich-verliebt-habe-obwohl-ich-mich-nicht-verlieben-wollte-aber-hilft-ja-nichts, trotzdem spricht doch nichts dagegen, schön dezent ins Gespräch einzusteigen.
»Oh, danke, gutgut, fein. War eine Menge los. Heute Vormittag habe ich zufällig Ronald Fahringer von Reifenfilm auf der Straße getroffen. Er hat mich ein Stück in seinem blauen Jaguar mitgenommen und mir von Rauchende Endtöpfe erzählt, das ist der Actionfilm, den sie gerade drehen. Hört sich nach belanglosem Krawall an, ist es aber nicht. Da geht es auch ganz viel um bunte Gefühle, die hin- und hersausen und …«
»Bunte Gefühle, die hin- und hersausen?«
»Muss man wohl gesehen haben, um es zu verstehen.«
»Ein Getränk für die Dame?«
»Ein Mineralwasser und einen doppelten, äh, vierfachen Espresso.«
»Keinen Cocktail, Lara? Die haben Campari da, ich habe schon nachgeschaut.«
»Heute nicht.«
Was war das gerade für ein Ausdruck auf ihrem Gesicht? Sah irgendwie aus wie » HUWÄÄÄRX «. Aber sonst scheint es ihr gutzugehen. Sie redet wie ein Wasserfall. Muss wohl, im Gegensatz zu mir, einen aufregenden Tag gehabt haben. Aber irgendwas ist auffällig an dem, was sie die ganze Zeit erzählt, oder? Ich komme nur nicht drauf.
L ARA Mist! Es kann nur noch Sekunden dauern, bis er merkt, dass ich in Wirklichkeit gar nichts erlebt habe, sondern alles spontan erfinde, um mein Anti-Einschlaf-Redeprogramm am Rollen zu halten. Dämlicherweise leite ich meine Erfindungen von den Dingen ab, die ich durchs Fenster sehe, und leider sind das nur Autos. Reifenfilm, so ein Schwachsinn! Ich muss ganz schnell ein Thema finden, bei dem ich viel quasseln kann, ohne mir was auszudenken. Kalims entsetzliche Buntsüß-Cocktails von gestern Abend wären perfekt, nur dreht es mir allein beim Gedanken daran sofort den Magen um.
Aber bevor ich den Karren hier völlig gegen die Wand setze, höre ich lieber auf zu quasseln und lasse es drauf ankommen. Er soll was sagen, und ich versuche einen Punkt zu finden, an dem ich einhaken kann. Wenn ich mich zusammenreiße, müsste ich es doch schaffen, ein paar Minuten wach zu bleiben, ohne zu reden. Und wenn nicht, auch egal.
Leider muss ich noch die letzte Kurve kriegen, bevor ich mit dem Quasseln aufhören kann. Und die ist nun wirklich haarig. Gerade sind nämlich ein Linienbus und ein Schrottlaster vorbeigefahren, und ich habe mich erzählen hören, dass ich heute Nachmittag mit dem Bus zum Autofriedhof gefahren bin. Bus ist ja okay, aber was zur Hölle wollte ich auf dem Autofriedhof? Ich könnte mich ohrfeigen!
K AI Mannomann, wirklich kein schlechtes Leben, so als Filmmensch. Nicht dauernd Bürostuhl, Computer, Telefon, Kaffeemaschine. Lara hat den ganzen Nachmittag den Autofriedhof in der Gottlieb-Dunkel-Straße als Drehort für den Fernsehkrimi Blechgasse ausgekundschaftet. So was würde ich zur Abwechslung ja auch gerne mal tun. Apropos, ich sollte ihr vielleicht davon erzählen, was ich so mache. Hier immer nur rumsitzen und zuhören, das macht so einen dämlich passiven Eindruck, oder? Aber was sage ich dann? Dass mein Büro eine glamouröse Villa für ein schwerreiches Münchener Ehepaar baut, klingt erst mal toll, aber wenn ich dann zugeben muss, dass der Entwurf nicht von mir ist, sondern dass wir nur die Bauleitung übernehmen, sprich den Job, der der Stararchitektin zu langweilig ist, dann …
»… jedenfalls ist dieser Schrottplatz völlig ungeeignet. Einfach zu unschrottig. Aber wir haben ja noch genug Zeit, einen anderen zu finden. Und was hast du so getrieben?«
»Oh, ich hab am Entwurf für einen Nachtclub gearbeitet.«
»Wow, echt jetzt?«
Von wegen. Das Projekt ist zwei Jahre her und der Clubbetreiber kurz nach Baubeginn wieder abgesprungen. Seitdem warten die bereits fertig verlegten Leitungen traurig im Dunkeln darauf, endlich angeschlossen zu werden. Und ich muss immer noch meinem Honorar hinterherrennen.
»Ja. Macht auch ganz schön Spaß. Im Moment ist es nur ein verlaustes, finsteres, total seltsam geschnittenes Kellerloch …«
Das ist nicht gelogen.
»… und man kann sich überhaupt nicht vorstellen, dass sich da eines Tages von Kopf bis Fuß aufgebrezelte Glamourgestalten die Nächte um die Ohren schlagen werden.«
Das ist auch nicht gelogen.
»Das war übrigens mit ein Grund, warum ich mir neulich bei dieser Clubfeier mal die Damentoilette anschauen
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