Andere tun es doch auch (German Edition)
noch mehr Maßnahmen gegen den Zug ergreifen. Irgendjemand eine Idee? Nein, wartet, ich habs schon! Wir laden einfach noch mehr Leute ein, so lange, bis es es so voll ist, dass keine Zugluft mehr durchkommt. Kommt, raus mit den Handys! Ich guck auch noch mal, ob da noch irgendwer in meinem Adressbuch ist, den ich noch nicht eingeladen habe.«
»Ich könnte meine Schwester einladen, aber die neigt dazu, sich über religiöse Themen zu unterhalten.«
»Genau das, was uns hier noch fehlt, Frank. Her mit ihr! Und was ist mit euch? Ich sehe immer noch Leute ohne Handy am Ohr. Wer nicht noch mindestens einen weiteren Gast beisteuert, kriegt nichts mehr zu trinken!«
Das wirkt. Die Musik wird für einen Moment leiser gedreht, und hochkonzentriertes Tippen und Brabbeln beginnt. Ich lasse mich auch nicht lumpen und rufe Großonkel Karl an, aber der geht natürlich nicht ran. Immer das Gerede von Schlaflosigkeit im Alter, aber nun so was. Okay, dann eben wer anderes. Mal sehen, hier ist noch eine Visitenkarte in meiner Tasche. Ah. Caro Löwenstein, Multitalent ;-) Wie konnte ich sie nur vergessen!
»Hallo?«
»Hallo Caro, die Party ist in der Veteranenstraße 98b.«
»Ähm, okay, aber …«
»Einfach bei Findling im Dachgeschoss klingeln und dann zur Bar durchfragen.«
»Ach so, du bist der Architekt, der …«
»Bis gleich.«
Famos. Betrunken bringe ich die Dinge immer viel besser auf den Punkt. Ist auch höchste Zeit, das Gespräch zu beenden, sonst verpasse ich Angelinas Drink gegen Zug. Sie hat nämlich nur zehn Gläser gemacht, und die Leute, die schon mit dem Telefonieren fertig sind, haben sich alle schon eins geschnappt, Joan sogar zwei.
»Wie heißt der, Angelina?«
»Olympic Slam.«
»Aha.«
»Entschuldigung, Olympic Slam kommt mir so bekannt vor. Ist das nicht auch eine Wrestling-Kampftechnik?«
»Genau.«
Diesmal bin ich nicht sicher, ob der Drink wirklich gegen Zug wirkt, aber ich vermute, dass das Sausen in meinen Ohren nicht davon kommt, sondern weil … irgendwas in meinem Kopf saust. Und, zur Hölle, das ist auch gut so! Ein Mann, bei dem es im Kopf saust, kann alles. Sogar tanzen. Und zwar richtig gut. Das mit dem Moonwalk ist ganz einfach, wenn deine Umgebung ganz von selbst dauernd an dir vorbeizieht. Und aufrecht bleiben ist auch kein Problem, wenn man nicht zu schüchtern ist, sich an anderen festzuhalten. Ich schiebe mir den Hut auf den Hinterkopf und mache ein paar verwegene Drehungen auf meinen blankgewienerten Ledersohlen. Die Leute in meiner Nähe spalten sich spontan in zwei Lager: Die einen lachen, die anderen fallen um. Hat wohl beides was mit mir zu tun, aber was ist schon sicher an einem Abend wie diesem? Außer dass die Musik viel zu leise ist. Echt hey. Da ist ja das Sausen auf meinen Ohren lauter. Oder gehört das etwa zur Musik? Ich muss mal an einen stillen Ort und nachsehen, was ich da höre. Oder umgekehrt. Andererseits, auch wieder völlig egal. Ich bin der Gastgeber, ich muss mich mit meinen Gästen unterhalten. Viel wichtiger.
»Und? Immer noch Probleme mit Zug, Joan?«
»Nnnein.«
»Winkewinke. Und Sie, Herr Rockerer? Fühlen Sie sich wohl?«
»Des wor wirklich nett von Eana, dass Sie mi ogrufen ham. A so a Party hob i scho lang nimmer erlebt. Und Eanene Barkeeperin is pfundig. A so jemand bräuchat i no für mein Catering-Service.«
»Fragen Sie doch. Sie heißt Angelina. Sie wissen schon, Harry Belafonte, Angelina, Angelina … Aber ich glaube, sie ist schon ziemlich ausgebucht.«
»I frogs trotzdem. Wissens, i hab immer Glück.«
Und die nächste Drehung. Oder hatte ich schon eine gemacht?
»Konstantin! Du stehst auf meinem Fuß.«
»Stimmt doch gar nicht.«
»Ich wollte nur Konversation treiben.«
Im Hintergrund höre ich im Zehn-Sekunden-Takt Angelinas Shaker klackern. Zwischendrin predigt sie jedem, der die falschen Fragen stellt, ihre Bar-Regeln. Mann! Die sieht das viel zu dogmatisch. Muss ich mal mit ihr drüber reden bei einem guten Drink. Noch eine Drehung.
»Hupsa! Potztausend, Frau Klapphorst, was machen Sie denn hier?«
»Wir sind seit zwei Stunden per du. Und wir hatten das auch mit einem Drink besiegelt.«
»Wenn du das sagst, ähm …«
»Erika. Ich werde es noch bereuen, dass ich jemandem wie dir die Löwenstein-Villa anvertraut habe. Schöne Schuhe übrigens.«
»Oh ja, in denen fühlt man sich wie Fred Astaire. Willst du sie mal anprobieren? Komm, wir tauschen.«
»Nein! Ich habe mir meine Santoni-Pumps drei Jahre vom Mund
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