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ANDERSENS MÄRCHEN ((Sämtliche Werke)) (German Edition)

ANDERSENS MÄRCHEN ((Sämtliche Werke)) (German Edition)

Titel: ANDERSENS MÄRCHEN ((Sämtliche Werke)) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Christian Andersen , H.C. Andersen
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der Name Tristan bedeuten sollte, daß "er mit Trauer geboren war", und das paßte nicht auf Anton. Niemals wollte er auch, gleichwie Tristan, den Gedanken hegen müssen, "sie hat mich vergessen." Doch auch Isolde vergaß ja nicht den Freund ihres Herzens, und als sie beide gestorben und einzeln zu beiden Seiten der Kirche begraben waren, wuchsen die Lindenbäume aus ihren Gräbern über das Kirchendach hin und trafen einander dort blühend. Das erschien Anton so schön und doch zugleich so traurig - aber mit ihm und Molly konnte es nicht traurig ausgehen, und deshalb flötete er ein Lied des Minnesängers Walther von der Vogelweide:
     
    "Unter der Linden.
     
    An der Heide."
     
    Und so besonders schön erklang es darin:
     
    "Vor dem Wald mit süßem Schall
     
    Tandaradei.
     
    Sang im Tal die Nachtigall."
     
    Die Weise lag ihm immerfort auf der Zunge, und er sang sie und flötete sie in der mondhellen Nacht, als er zu Pferde durch den tiefen Hohlweg ritt, um nach Weimar zu kommen und Molly zu besuchen. Er wollte unerwartet kommen, und er kam unerwartet.
     
    Wohl empfing ihn ein freundliches Willkommen, ein voller Becher Weins, eine muntere Gesellschaft, ja eine vornehme Gesellschaft, eine gemütliche Stube und ein gutes Bett, und doch war es nicht, wie er sich gedacht und erträumt hatte. Er verstand nicht sich, verstand nicht die anderen; aber wir verstehen es. Man kann in einem Hause, in einer Familie sein, und doch nicht festen Fuß fassen, man plaudert miteinander, wie man in einem Postwagen plaudert, kennt einander, wie man im Postwagen sich kennt, geniert einander und wünscht sich selbst oder den guten Nachbar Meilen weit fort. Und so erging es Anton.
     
    "Ich bin ein ehrliches Mädchen," sagte Molly zu ihm, "ich will es Dir selber sagen. Vieles hat sich verändert, seit wir als Kinder zusammen waren. Äußerlich und innerlich ist es anders geworden, Gewohnheit und Willen haben keine Macht über unser Herz. Anton. Ich will nicht, daß Du unfreundlich an mich zurückdenkst, jetzt, wo ich bald so weit fort von hier sein werde. Glaube mir, ich werde Dir stets ein gutes Gedenken bewahren, aber geliebt, wie ich nun weiß, daß man einen anderen Menschen lieben kann, habe ich Dich nie. Darein mußt Du Dich finden. Lebe wohl, Anton!"
     
    Und Anton sagte auch Lebewohl; nicht eine Träne kam in seine Augen, doch er fühlte, daß keine Liebe zu Molly mehr in seinem Herzen war. Die glühende
     
    Eisenstange wie die gefrorene Eisenstange reißen die Haut mit der gleichen Empfindung für uns von den Lippen, wenn wir sie küssen, und er küßte gleich stark in Liebe wie in Haß.
     
    Nicht einen Tag gebrauchte Anton, um wieder heim nach Eisenach zu kommen, doch das Pferd, das er ritt, war zugrunde gerichtet.
     
    "Was will das sagen" rief er, "ich bin zugrunde gerichtet, und ich will alles vernichten, was mich an sie erinnern kann. Frau Holle, Frau Venus, Du heidnisches Weib! - Den Apfelbaum will ich zerbrechen und zerstampfen, mit Stumpf und Stiel soll er ausgerissen werden, nie soll er mehr blühen und Frucht tragen!"
     
    Aber der Baum wurde nicht vernichtet; er selbst war innerlich vernichtet und lag fiebernd auf dem Bette. Was konnte ihm wieder aufhelfen? Eine Medizin kam, die es vermochte, die bitterste, die sich finden läßt, um den siechen Körper und die verkrampfte Seele wieder aufzurütteln: Antons Vater war nicht mehr der reiche Kaufmann. Schwere Tage, Tage der Prüfung, standen vor der Tür. Das Unglück wälzte sich heran, in großen Wogen drang es in das einst reiche Haus. Der Vater war ein armer Mann, die Sorgen und das Unglück lähmten ihn völlig. Da hatte Anton an anderes zu denken, als an Liebeskummer und seinen Zorn gegen Molly. Er mußte ordnen, helfen, tüchtig zupacken, selbst in die weite Welt hinaus mußte er, um sein Brot zu verdienen.
     
    Er kam nach Bremen, machte Not und schwere Tage durch; das macht den Sinn entweder hart oder weich, oft allzu weich. So ganz anders waren Welt und Menschen, als er sie sich in seiner Kindheit gedacht hatte! Was waren ihm nun der Minnesänger Lieder: Kling und Klang, leere Worte. Ja, das war seine Meinung zuzeiten, doch ein andermal klangen ihn die Weisen zu Herzen und ihm ward fromm zu Sinn.
     
    "Gottes Wille ist der beste!" sagte er dann wohl. Gut war es, daß der liebe Gott Mollys Herz nicht an mich band. Wozu hätte es wohl geführt, da sich das Glück so gewendet hat. Sie ließ von mir, bevor sie noch etwas wußte oder nur ahnte, daß solch ein

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