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Androidenträume

Titel: Androidenträume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
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Untertöne übertrug, gab bedrückte Schlucklaute von sich.
    »Sie wusste nicht, dass Sie ein Visum für sie beantragt haben?«, fragte Creek.
    Tudena schüttelte den Kopf. »Es sollte eine Überraschung werden«, erklärte er. »Ich wollte mit ihr Disneyland besuchen. Ich habe gehört, dass es der glücklichste Ort auf der Erde sein soll.« Seine Schulterflügel zitterten heftig, und er vergrub den Kopf unter den Vordergliedmaßen. Creek beugte sich vor und tätschelte Tudenas Chitinschale. Tudena stieß sich vom Tisch weg und taumelte zur Tür hinaus. Nach mehreren Minuten kam einer von Tudenas Assistenten, um Creek abzuholen, ihm für seine Bemühungen zu danken und ihn zum Ausgang der Botschaft zu geleiten.
    Creeks offizieller Titel beim Außenministerium lautete »xenokultureller Moderator«, worunter sich niemand etwas Konkretes vorstellen konnte, außer dem Finanzverwalter des Außenministeriums, der genau wusste, dass ein xenokultureller Moderator nach dem GS-10-Tarif bezahlt wurde. Creeks inoffizieller Titel, der wesentlich zutreffender und anschaulicher war, lautete »Überbringer schlechter Nachrichten«. Immer wenn das Außenministerium schlechte Nachrichten für jemanden aus dem diplomatischen Corps hatte, der bedeutend genug war, um ein persönliches Gespräch erforderlich zu machen, aber nicht bedeutend genug, um einen hochrangigen Vertreter des Ministeriums damit zu beauftragen, immer dann kam Creek ins Spiel.
    Er machte die sprichwörtliche schmutzige Arbeit. Aber wie es weiter im Sprichwort hieß, musste irgendjemand sie erledigen, und Harris Creek war darin erstaunlich gut. Nur ganz besondere Menschen waren in der Lage, Mitgliedern verschiedener außerirdischer Spezies in die Augen oder entsprechende andere Organe zu blicken und ihnen mitzuteilen, dass ein bestimmtes Einreisevisum nicht erteilt worden war. Oder dem Außenministerium war zu Ohren gekommen, dass Terroristen ein Attentat auf einen Diplomaten verüben wollten, wenn er sich auf die Rückreise zu seiner Heimatwelt machte, oder dass sein Diplomatenstatus ernsthaft gefährdet war, wenn er nach einem heftigen Trinkgelage in einer Bar scharfe Projektile auf menschliche Gäste erbrach. Creek hatte sich bereits um all diese und noch viele andere Fälle kümmern müssen.
    Außerirdische Lebensformen hatten unterschiedliche Arten, Wut und Trauer zum Ausdruck zu bringen, vom traurigen, stummen Zittern von Mr. Tudena bis hin zu rituell akzeptierter Zerstörung von Eigentum. Die meisten Menschen, ungeachtet ihrer diplomatischen Ausbildung, besaßen einfach nicht das psychologische Rüstzeug, mit einem Außerirdischen zurechtzukommen, der vor ihren Augen durchdrehte. Die reptilischen Gehirnteile, die sich eng an den Hirnstamm drängten, setzten sich allzu häufig über die graue Masse des Vorderhirns hinweg und ließen schwache Menschen die Flucht ergreifen, wobei sie Körperflüssigkeiten abgaben, um »Ballast abzuwerfen«, wenn das Programm »Kämpfen oder Abhauen« die Kontrolle übernahm.
    Harris Creek war nicht annähernd so gut in der Kunst der Diplomatie ausgebildet wie seine Kollegen – er hatte überhaupt keine derartige Ausbildung genossen, als er den Job angenommen hatte. Aber er rannte nicht weg, wenn die ersten Möbelstücke flogen. Für seinen speziellen Tätigkeitsbereich reichte das völlig aus. Es war leichter, ein paar diplomatische Regeln zu lernen, als seine Blase im Zaum zu halten, wenn ein außerirdisches Mitglied des diplomatischen Corps einen Wutanfall erlitt. Die meisten Leute glaubten das nicht, aber so war es.
    Draußen vor der Kathungi-Botschaft aktivierte Creek seinen Kommunikator, um seinen nächsten Termin zu lokalisieren – im Larrn-Institut drüben an der K Street. Creek sollte einem neuen Lobbyisten aus der Spezies der Tang erklären, dass es noch als kulturelles Missverständnis durchgehen mochte, wenn er einmal damit drohte, die Kinder einer UNE-Abgeordneten zu fressen, falls sie nicht so abstimmte, wie er es von ihr erwartete, aber wenn er ein zweites Mal damit drohte, musste er mit äußerst negativen Konsequenzen rechnen.
    »Hallo, Harry«, hörte Creek jemanden sagen. Er blickte auf und sah Ben Javna, der gegen eine Marmorsäule gelehnt dastand.
    »Hallo, Ben«, sagte Creek. »Ich hätte nicht gedacht, dich hier zu treffen.«
    »Ich bin zufällig vorbeispaziert und habe dich gesehen«, sagte Javna und nickte dann in Richtung der Tür, durch die Creek soeben getreten war. »Schlechte Nachrichten für die

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