Androidenträume
Miss Baker einen Kommunikator.«
»Sicher«, sagte Javna und bemerkte, dass der niduanische Botschafter den Namen des Mädchens kannte. »Aber es scheint sich nicht um ein tragbares Gerät zu handeln. Außerdem ist sie zurzeit in Begleitung unseres Mannes.«
»Das ist ja hochinteressant!«, rief Narf-win-Getag aus. »Die einzigen beiden Menschen auf dem gesamten nordamerikanischen Kontinent, die sich nicht ohne Verzögerung kontaktieren lassen.« Er stellte das Scotch-Glas ab, ohne davon getrunken zu haben. »Ben, ich werde Ihnen nicht unterstellen, dass Sie uns diese Frau aus welchen Gründen auch immer willentlich vorenthalten. Aber ich möchte Ihnen empfehlen, sie unverzüglich an uns zu überstellen, wenn sie wieder auftaucht. Die Zeit wird immer knapper – weniger als ein Tag bis zum Ende unserer gemeinsam vereinbarten Frist.«
»Dieser Tatsache bin ich mir eindringlich bewusst, Botschafter«, sagte Javna.
»Das freut mich zu hören, Ben«, sagte Narf-win-Getag. Dann nickte er und erhob sich.
»Aber ich sollte Sie vorwarnen, dass sie, wenn sie sich zurückmeldet, vielleicht nicht damit einverstanden ist, an Sie überstellt zu werden«, sagte Javna.
Narf-win-Getag hielt mitten in der Bewegung inne. »Wie bitte?«
»Sie könnte sich weigern, an Ihrer Zeremonie teilzunehmen«, sagte Javna. »Sie kann ihre Menschenrechte als Bürgerin der USA und der UNE in Anspruch nehmen. Wir können sie nicht zwingen. Wir können versuchen, ihr zu erklären, wie wichtig es ist, dass sie an der Krönungszeremonie teilnimmt. Aber wenn es hart auf hart kommt, können wir nichts gegen ihren Willen machen.«
Narf-win-Getag starrte Javna eine Weile an, und dann hörte Javna das tiefe, gutturale Grollen, von dem er wusste, dass es die niduanische Entsprechung eines herzhaften Lachens war. »Wissen Sie, Ben«, sagte er, nachdem das Grollen verklungen war, »die Menschen erstaunen und amüsieren mich immer wieder. Sie sind so sehr damit beschäftigt, Ihren eigenen persönlichen Baum zu pflegen, dass Sie es gar nicht bemerken, wenn der ganze Wald in Flammen steht. Es ist sehr ehrenhaft von Ihnen, dieser jungen Frau die freie Entscheidung zu überlassen. Aber wenn ich ganz ehrlich zu Ihnen sein darf, möchte ich Sie daran erinnern, dass in einer Woche Ihrer Zeitrechnung unsere Krönungszeremonie stattfinden muss.
Wenn sie nicht zum angesetzten Zeitpunkt stattfindet, kann jede Nidu-Sippe offiziell ihren Anspruch auf den Thron geltend machen, und ich kann Ihnen versichern, dass es sehr viele tun würden. Unter den Nidu wird ein Bürgerkrieg ausbrechen, und es wäre durchaus möglich – nein, ich halte es sogar für sehr wahrscheinlich –, dass die Erde und ihre Kolonien nicht am Spielfeldrand sitzen und das Gemetzel unbeeinträchtigt beobachten können. Wenn ich Minister Heffer wäre – oder Präsident Webster – oder Sie, würde ich mir weniger Sorgen um Miss Bakers Menschenrechte machen, sondern große Sorgen um meine Verantwortung gegenüber meinem Planeten und dem Wohlergehen der gesamten Bevölkerung.«
»Das klingt recht bedrohlich, Botschafter«, sagte Javna.
Narf-win-Getag gluckste leise, ein beinahe menschliches unterdrücktes Lachen. »Unsinn, Ben. Ich habe Ihnen nur gesagt, was ich tun würde. Ihnen steht es selbstverständlich frei, die Situation völlig anders einzuschätzen. Ich hoffe, dass unsere Freundin bald auftaucht und sich diese Überlegungen als eitle und nutzlose Spekulationen erweisen. In der Zwischenzeit hoffe ich jedoch, dass Sie uns – beziehungsweise mir – den Gefallen erweisen, sämtliche Informationen über Miss Baker an uns weiterzuleiten. Vielleicht findet mein Volk eine andere Lösung, die eine für uns alle zufriedenstellende Lösung unserer gegenwärtigen Probleme wäre.«
»Natürlich, Botschafter«, sagte Javna. »Ich lasse Ihnen unverzüglich alles übermitteln.«
»Ausgezeichnet, Ben. Danke, dass Sie sich Zeit für mich genommen haben.« Narf-win-Getag deutete mit einem Nicken auf das Glas. »Und vielen Dank für den Drink.« Damit ging er.
Javna ging zum Glas, hob es auf und schnupperte daran. Kein Echsengeruch. Er leerte es in einem Zug und kam sich dabei wie der Hausdiener vor, der Schnaps aus dem Spirituosenkabinett seines Herrn klaute. Mit einem schlechten Gewissen stellte er das Glas wieder ab.
Diese ganze Sache stinkt, dachte er. Javna fühlte sich von allen herumgeschubst. Er wusste nur nicht, von wem und warum. Das Einzige, was noch in seiner Macht stand – was noch in
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