Andromeda
energisch gegen das Kauterisieren als Programmpunkt ausgesprochen. Und von den beiden betroffenen Ministerien war eingewandt worden, daß jede oberirdische thermonukleare Sprengung, gleich für welchen Zweck, ernste internationale Folgen nach sich ziehen werde. Schließlich stimmte der Präsident der Kauterisation zu, allerdings mit dem Vorbehalt, daß er allein die Entscheidung über den Einsatz einer Atombombe zu diesem Zweck in der Hand behielt. Stone war davon nicht begeistert, mußte sich aber wohl oder übel fügen; auf den Präsidenten war erheblicher Druck ausgeübt worden, den Vorschlag ganz zurückzuweisen, und erst nach langen Auseinandersetzungen hatte er sich auf diesen Kompromiß eingelassen. Schließlich gab es da noch eine Studie des Hudson-Instituts. Das Hudson-Institut war mit einer Untersuchung der möglichen Auswirkungen einer Kauterisation beauftragt worden. Aus dem Abschlußbericht ging hervor, daß der Präsident in vier verschiedenen Situationen gezwungen sein könnte, die Direktive 7-12 in Kraft treten zu lassen. Diese vier Möglichkeiten waren, nach dem Grad der Ernsthaftigkeit geordnet:
1. Ein Satellit oder ein bemanntes Raumfahrzeug landet in einem unbewohnten Gebiet der Vereinigten Staaten. In diesem Falle konnte der Präsident die Kauterisation der Umgebung ohne schwerwiegende innenpolitische Folgen oder Menschenverluste anordnen. Die Russen konnte man vertraulich über die Gründe dieses Verstoßes gegen den Moskauer Vertrag von 1963, der oberirdische Atomwaffen-Versuche verbietet, unterrichten.
2. Ein Satellit oder ein bemanntes Raumfahrzeug landet in einer größeren amerikanischen Stadt (als Beispiel wurde Chicago angeführt). Die Kauterisation erfordert die Vernichtung eines weiten Gebietes und großer Teile der Bevölkerung. Die innenpolitischen Folgen werden schwerwiegend sein, die internationalen Konsequenzen zweitrangig.
3. Ein Satellit oder ein bemanntes Raumfahrzeug landet in einem dichtbewohnten Stadtgebiet eines neutralen Staates (Beispiel: Neu-Delhi). Die Kauterisation erfordert zur Verhinderung der Ausbreitung von Krankheiten eine amerikanische Intervention mit nuklearen Waffen. Aus den Planspielen ergaben sich siebzehn mögliche Konsequenzen für die amerikanischsowjetischen Beziehungen nach der Vernichtung Neu-Delhis. Zwölf davon führten unmittelbar zum Atomkrieg.
4. Ein Satellit oder ein bemanntes Raumschiff landet in einem wichtigen sowjetischen Stadtgebiet (Beispiel: Wolgograd). Eine Kauterisation setzt voraus, daß die Vereinigten Staaten die Sowjetunion über den Vorfall unterrichten und ihr anraten, selbst die betreffende Stadt zu vernichten. Den Planspielen des Hudson-Instituts zufolge gab es nach diesem Vorfall sechs mögliche Konsequenzen für die amerikanisch-sowjetischen Beziehungen, und alle sechs führten unmittelbar zum Krieg. Deshalb wurde empfohlen, daß die Vereinigten Staaten die Sowjetunion nicht unterrichten sollten, falls ein Satellit in der Sowjetunion oder in einem Land des Ostblocks landete. Grundlage dieser Entscheidung war die Vorausberechnung, daß eine Seuche in Rußland zwischen zwei und fünf Millionen Menschenleben kosten würde, während die gesamten sowjetisch-amerikanischen Verluste bei einem nuklearen Schlagabtausch unter Verwendung sowohl primärer als auch sekundärer Einsatzreserven sich auf über zweihundertfünfzig Millionen Tote belaufen würden.
Der Bericht des Hudson-Instituts hatte zur Folge, daß der Präsident und seine Berater den Standpunkt einnahmen, die Verantwortung für eine Kauterisation müsse in den Händen von Politikern und nicht von Wissenschaftlern liegen. Die letzten Konsequenzen der Entscheidung des Präsidenten ließen sich zu dem Zeitpunkt, als diese Entscheidung gefällt wurde, natürlich nicht vorausberechnen. Nach Mancheks Bericht traf Washington innerhalb einer Stunde eine Entscheidung. Die Hintergründe waren nie ganz klar, dafür aber das Endergebnis: Der Präsident verschob die Direktive 7-12 um vierundzwanzig bis achtundvierzig Stunden. Statt dessen beauftragte er die Nationalgarde, das ganze Gebiet um Piedmont in einem Radius von hundert Meilen abzuriegeln. Dann wartete er ab.
Flatrock
Mark William Hall, Doktor der Medizin, saß auf dem engen zweiten Sitz des F-104-Düsenjägers und sah über seine Sauerstoffmaske aus Gummi hinweg auf das Aktenstück, das er auf den Knien liegen hatte. Leavitt hatte ihm das dicke, schwere Bündel Papier in dem grauen Pappeinband kurz vor dem
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