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Andromeda

Andromeda

Titel: Andromeda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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Hanfseil schabte leise am Holz.
    Zu ihren Füßen lag ein Umschlag mit einer sorgfältig und ordentlich geschriebenen Adresse: »An die Überlebenden!« Stone öffnete den Brief und las: »Der Tag des Gerichts ist gekommen. Erde und Wasser werden sich auftun und die Menschheit verschlingen. Gnade Gott meiner armen Seele, und möge Er alle die gütig aufnehmen, die mir Güte bewiesen haben. Zur Hölle mit den anderen. Amen.« Burton ließ sich den Brief vorlesen und sagte: »Die alte Dame ist verrückt geworden. Altersschwachsinn. Sie sah die anderen ringsumher sterben und drehte durch.«
    »Und beging Selbstmord?«
    »Ja, ich denke schon.«
    »Ziemlich ungewöhnliche Art, aus dem Leben zu scheiden, meinen Sie nicht auch?«
    »Auch der Junge hat sich eine ungewöhnliche Methode ausgesucht«, sagte Burton. Stone nickte.
     
    Roy O. Thompson war alleinstehend. Sein ölverschmierter Overall ließ darauf schließen, daß er die Tankstelle betrieb. Roy hatte seine Badewanne voll Wasser laufen lassen, war davor niedergekniet und hatte den Kopf ins Wasser gesteckt, bis er tot war. Als sie ihn fanden, war er schon erstarrt; sein Kopf befand sich noch immer unter Wasser. Sonst war niemand in der Nähe, nichts deutete auf eine Auseinandersetzung hin.
    »Unmöglich«, sagte Stone. »Auf diese Weise kann kein Mensch Selbstmord begehen.«
     
    Lydia Everett, von Beruf Näherin, war ganz still auf ihren Hinterhof hinausgegangen, hatte sich auf einen Stuhl gesetzt, mit Benzin übergossen und mit einem Streichholz angezündet. Neben ihrer versengten Leiche fanden sie den vom Feuer geschwärzten Benzinkanister.
     
    William Arnold, ein Sechzigjähriger, saß steif und aufrecht auf einem Stuhl in seinem Wohnzimmer. Er trug seine Uniform aus dem Ersten Weltkrieg. Damals war er Hauptmann gewesen, und nun war er für kurze Minuten noch einmal Hauptmann geworden, bevor er sich mit einem 45er Colt eine Kugel in den Kopf jagte. Als sie ihn fanden, war nirgendwo im Wohnzimmer eine Blutspur zu entdecken. Der Mann wirkte fast lächerlich, wie er mit einem sauberen, trockenen Loch im Kopf steif dasaß.
    Neben ihm stand ein Tonbandgerät, auf dem noch seine linke Hand ruhte. Burton warf Stone einen fragenden Blick zu, dann schaltete er das Gerät ein. Eine zitternde, ärgerliche Stimme sprach zu ihnen. »Ihr habt euch schön viel Zeit gelassen, wie? Trotzdem bin ich froh, daß ihr doch noch gekommen seid. Wir brauchen dringend Verstärkung. Ich kann euch sagen, das war ein heißer Kampf gegen die Hunnen. Letzte Nacht haben wir beim Sturm auf den Hügel vierzig Prozent verloren, und zwei von unseren Offizieren haben auch ins Gras gebissen. Sieht nicht gut aus, gar nicht gut. Wenn nur Gary Cooper hier wäre. Solche Männer brauchen wir – Männer, die Amerika stark gemacht haben. Ich kann euch gar nicht sagen, was das für mich bedeutet, bei den Riesen da draußen in den fliegenden Untertassen. Jetzt brennen sie uns nieder, und das Gas kommt. Man sieht sie sterben, und wir haben doch keine Gasmasken. Nicht eine einzige. Aber das werde ich nicht abwarten. Ich weiß, was ich zu tun habe. Es tut mir nur leid, daß ich nur ein Leben habe, das ich für mein Vaterland opfern kann.«
    Das Band lief weiter, blieb aber stumm. Burton schaltete das Gerät ab. »Übergeschnappt«, sagte er. »Glatt verrückt geworden.«
    Stone nickte.
    »Einige sind auf der Stelle gestorben, und die anderen – die anderen sind still und leise verrückt geworden.«
    »Wir kommen immer wieder auf dieselbe Grundfrage zurück: Warum? Worin besteht der Unterschied?«
    »Vielleicht gibt es gegen diese Erreger eine Art abgestufter Immunität«, sagte Burton. »Manche Menschen sind dafür empfänglicher, anfälliger als andere. Einige sind immun, zumindest für eine gewisse Zeit.«
    »Sie wissen doch«, sagte Stone, »da war der Bericht des Piloten, der den Ort überflogen hat. Und die Filmaufnahmen von dem Mann, der da unten noch lebte. Ein Mann in langem, weißem Gewand.«
    »Glauben Sie, daß er noch am Leben ist?«
    »Ich weiß nicht recht«, sagte Stone. »Einige Leute haben länger gelebt als andere – lange genug, um noch eine Abschiedsrede auf Band zu sprechen oder sich aufzuhängen. Da fragt man sich unwillkürlich, ob es nicht auch jemanden geben könnte, der die Infektion sehr lange überlebt. Man fragt sich, ob es nicht in diesem Ort einen Menschen gibt, der jetzt noch am Leben ist.« Genau in diesem Augenblick hörten sie das Weinen.
     
    Zuerst glaubten sie, es sei

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