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Andromeda

Andromeda

Titel: Andromeda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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überschaubar klein. Schon bevor der einzelne eine Entscheidung trifft, kann er verschiedene Reaktionen voraussehen und somit seine ursprüngliche, primäre Entscheidung besser abschätzen.
    Aber es gibt auch eine Kategorie, die sich nicht mit Hilfe von Kontingenzen analysieren läßt. In diese Kategorie fallen Ereignisse und Situationen, die absolut unvorhersehbar sind, nicht nur Katastrophen aller Art, sondern auch die seltenen Sternstunden des Entdeckens und jener Einsicht, die beispielsweise den Laser oder das Penicillin entstehen lassen. Da diese Augenblicke nicht vorhersagbar sind, kann man für sie auch nicht logisch vorplanen. Die mathematischen Voraussetzungen sind ganz und gar unbefriedigend.
    Wir können uns nur mit der Tatsache trösten, daß solche Situationen – im Bösen wie im Guten – außerordentlich selten auftreten.
     
    Jeremy Stone arbeitete mit unendlicher Geduld. Er nahm eine Flocke des grünen Materials und ließ sie in eine geschmolzene Plastikmasse fallen. Der Kunststoff hatte Größe und Form des Dragees für ein Medikament. Er wartete, bis die Flocke festsaß, dann übergoß er sie mit neuer Plastikmasse. Die fertige Pille praktizierte er in die Wärmekammer.
    Stone beneidete die anderen um ihre mechanisierten Routinearbeiten. Die Herstellung von Präparaten für das Elektronenmikroskop war noch immer eine heikle Aufgabe, die geschickte Hände erforderte. Ein wirklich gutes Präparat stellte ebenso hohe Anforderungen wie ein Kunstwerk; es dauerte fast ebenso lange, diese Kunst zu erlernen. Stone hatte fünf Jahre gebraucht, bis er es auf diesem Gebiet zur Meisterschaft brachte.
    Die Plastikkapsel gelangte zwar in eine Schnellbehandlung; trotzdem würde es fünf Stunden dauern, bis der Kunststoff die nötige Festigkeit erlangt hatte. Im Wärmeschrank herrschte eine stets gleichbleibende Temperatur von 61 Grad Celsius und eine relative Luftfeuchtigkeit von zehn Prozent. Wenn der Kunststoff hart geworden war, mußte er ihn wegschaben und dann mit einem Mikrotom eine winzige Flocke des grünen Materials abheben. Diese Probe hatte genau die richtige Dicke und Größe aufzuweisen; es mußte eine kleine runde Scheibe von nicht mehr als 1500 Angström Dicke sein.
    Dann erst konnte man das grüne Zeug – was es auch sein mochte – sechzigtausendfach vergrößert betrachten.
    Das verspricht interessant zu werden, dachte er. Im allgemeinen hatte Stone den Eindruck, daß die Arbeit gut vorankam. Das Team verfolgte mehrere vielversprechende Spuren und machte dabei zufriedenstellende Fortschritte. Und es hatte Zeit – das war am wichtigsten. Es gab keine Hetze, keine Panik, keinen Anlaß zu Befürchtungen. Auf Piedmont war eine A-Bombe gefallen. Sie mußte die in der Luft schwebenden Organismen getötet und den Ausgangspunkt der Verseuchung neutralisiert haben. Das Wildfire-Labor war nun der einzige Ort, von dem eine Infektion ausgehen konnte – und das Labor war eigens dafür geschaffen worden, genau das zu verhindern: Falls irgendwo die Isolierung versagte, wurde der verseuchte Sektor sofort hermetisch abgeriegelt; binnen einer halben Sekunde schlossen sich luftdichte Türen und schufen damit im Labor eine neue Lage.
    Das war unumgänglich. Denn die bisherige Erfahrung in anderen Laboratorien, die mit einer sogenannten axenischen oder keimfreien Atmosphäre arbeiteten, hatte gelehrt, daß es in fünfzehn Prozent aller Fälle doch zu einer Verseuchung kam. Die Gründe waren für gewöhnlich trivialer Art: Eine Dichtung wurde undicht, ein Handschuh riß ein, eine Kante splitterte. Aber es kam eben doch zu einer Verseuchung.
    Im Wildfire-Labor war man auf diese Möglichkeiten vorbereitet. Wenn aber ein solcher Unfall ausblieb – und alles sprach gegen ihn –, dann konnten sie hier für eine unbegrenzte Zeit sicher und in aller Ruhe arbeiten. Sie konnten mit der Untersuchung des Organismus einen Monat oder auch ein Jahr zubringen.
    Es gab keine Probleme, nicht die geringsten.
     
    Hall ging durch den Korridor, sah sich die Schalter für die atomare Sprengvorrichtung an und versuchte, sich ihre genaue Lage einzuprägen. Im Stockwerk V gab es fünf solcher Schalter; sie waren in Abständen im Hauptkorridor angeordnet. Alle sahen sie gleich aus: kleine, silberne Kästen, nicht größer als eine Zigarettenpackung, jeder Kasten mit einem Schlitz für den Schlüssel, einem glimmenden grünen Lämpchen und einer dunklen roten Lampe. Burton hatte ihm den Mechanismus bereits erklärt: »In allen

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