Andromeda
irgendwo dort am Horizont. In meinem Verständnis hatten sich beide Ereignisse mehr oder weniger verbunden, so daß ich jetzt abermals ausspähte, ob dieses Licht nicht wieder aufflammen wollte. Doch die großen Planeten droben zogen geruhsam ihre Bahn, und keine Flammenzunge stieß von einem zum anderen und herunter zu mir.
Ich lächelte nachher ein wenig über mich. Wie sollte auch ein vergleichsweise so geringfügiges Ereignis, wie es der Zusammenbruch eines Berges war, dort draußen im Raum, Millionen von Kilometern entfernt, ein Phänomen hervorzurufen imstande sein, das wahrhaft interplanetarische Ausmaße besessen haben mußte. Es konnte nichts miteinander zu schaffen haben. Das eine war dies, und das andere war eben etwas anderes. Und wenn sie überhaupt etwas Gemeinsames besaßen, dann nur dies, daß ich im Grunde von beiden gar nichts wußte. Wußte nichts über die Ursachen, wußte nichts über die Wirkungen. Doch was den Berg betraf – dieses eine würde ich vielleicht nun doch bald wissen.
Ich war wieder im Tale angelangt und begann erneut, mühsam durch den tiefen Sand zu stapfen. Nun vermochte ich nicht einmal mehr den Himmel zu beobachten, denn all meine Kraft und. Aufmerksamkeit galt dem eigenen Vorankommen.
Ich hatte es auch bitter nötig, wenngleich es mir dann, als es wirklich darauf ankam, kaum etwas nutzte. Das Lichtphänomen zwischen den Planeten hatte mich interessiert, ich hatte einen Zusammenhang gesehen zu den Ereignissen, mit denen ich mich hier unten herumschlug. Dabei hätte mich etwas anderes viel mehr interessieren sollen, ein ganz anderer Zusammenhang, der eigentlich viel eindeutiger auf der Hand lag als jener zu den Planeten. Ich war ein Narr, daß ich das vergessen konnte, doch ich vergaß es nun einmal.
Ich war etwa an jener Stelle angelangt, wo das Seitental, an dessen Ende ich am Abend eine weitere Siedlung entdeckt hatte, in das Hauptteil einmündete. Es war nun nicht mehr weit bis zu dem flachen Stumpf, der von dem zusammengebrochenen Berg übriggeblieben war. Anderthalb bis zwei Stunden Marsch vielleicht noch. Da hörte ich aus der Ferne schon das klagende Heulen in den Himmel steigen, welches mir nur allzugut bekannt war. Ich verhielt wie erstarrt und wollte noch nicht glauben, was da auf mich zukam.
Es kam aber auf mich zu. Fluoreszierend, grünlich schimmernd wälzte es sich aus dem Seitental hervor, schien auch von den Flanken des Restberges herabzurinnen wie glimmernder Schleim, wie ein geheimnisvoller, von innerem, kaltem Leuchten erfüllter Brei, der über den Rand einer riesigen Kasserolle quoll. Und der fließende Brei nahm meine Richtung und die der Stadt in meinem Rücken.
Ich wollte fliehen, doch bereits nach wenigen Schritten erkannte ich, wie sinnlos das war. Dieses Etwas da hinter mir, dieses Ding da, glitt mühelos über den Sand. Das brauchte nicht zu stapfen und sich zu quälen. Das eilte heran wie auf Schienen und auch mit der Geschwindigkeit, die etwa einer unserer Astrachans auf ebenem Gelände entwickelt hätte.
Ich blickte dem Verhängnis entgegen und gab mich verloren. Ich besaß nichts zur Abwehr – nichts! Das Etwas war mit den drei Zuckerhüten drunten auf der Straße fertig geworden – was sollte ich da ausrichten?
Ich ließ meinen Vorratssack in den Sand gleiten und ballte verzweifelt die Fäuste. Dann war es so nahe heran, daß ich alles, was ich schon einmal gesehen, aufs neue beobachten konnte: die platzenden Blasen auf der Oberfläche der Masse, der rostfarbene Dampf, der aus ihnen aufstieg, das gleitende, schiebende, so entsetzlich abstoßende Voranbewegen des Gebildes und der ekelhafte Gestank, den es verströmte. Ehe es sich über mich warf, dachte ich noch, daß es an einen ungeheuren, ungebändigten Muskel erinnerte, einen Muskel ohne Knochen, Haut und Sehnen. Dann rang ich nur noch ums Überleben.
Das war dann eigenartig: Meine größte Angst war nicht etwa, aufgesogen, zerfleischt, einfach gefressen zu werden – nein, vor dem blanken Ersticken hatte ich Angst. Es war die Angst eines Menschen, der mit Gewalt unter Wasser gepreßt wird. Im Vergleich dazu war alles andere gering und nebensächlich. Und dann merkte ich, daß ich sehr wohl zu atmen vermochte. Es war zwar eine abscheulich faulig riechende Luft, die ich zu atmen bekam, aber es war immerhin Luft, die mir sogar besonders leicht atembar schien, so, als handle es sich um reinen Sauerstoff. Das Erstaunen darüber machte mir schließlich noch mehr zu schaffen als die
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