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Andromeda

Andromeda

Titel: Andromeda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Sjöberg
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mich nur halbwegs zu schützen, indem ich direkt zur Bergwand hinstürzte und dort einen kaum halbmeterbreiten, wulstigen Vorsprung als schützendes Dach aufsuchte. Es war jedoch kein ausreichender Schutz. Ein kindskopfgroßer Brocken schlug unmittelbar vor mir auf, prallte zurück und traf mit Wucht meinen Oberschenkel. Es war ein Gefühl, als hätte mir jemand das Bein glatt abgerissen.
    Ich weiß nicht mehr, wie lange das alles dauerte. Sicherlich nur wenige Minuten, doch mir kamen sie wie die Ewigkeit vor. Als dann endlich Ruhe war, als der Sand- und Gesteinsregen sich gelegt und die Staubfahne über dem Berg da drüben – besser gesagt: über dem, was von ihm noch übrig war – sich verzogen hatte, da war es auch mit meinem Schlafbedürfnis gründlich vorbei.
    Ich humpelte mühsam zu meinem Lagerplatz zurück, rieb und knetete das Bein und war nun froh, daß allmählich wieder Leben in die Muskeln zurückkehrte. Sie hätten mir einen Körper aus Stahl schenken sollen, die Herren Tantaliden, wenn einem derartiges hier zustoßen konnte.
    Und dieser eigentlich nur so nebenbei hervorgebrachte Gedanke ließ mir dann eine erschreckende Erkenntnis dämmern: Sie kannten die Menschen vielleicht gar nicht, die Tantaliden! Oder sie kannten sie nur schlecht.
    Neuer Körper ja oder nein – der Teufel mochte wissen, warum sie ihn mir überhaupt gegeben hatten. Die einleuchtendste Erklärung war noch die, daß sie Furcht hatten vor Viren und Mikroben in meinem alten – aber alles, was sie für mich getan hatten, war nur darauf ausgelegt, daß ich mich still und genügsam in der mir zugewiesenen Wohnung aufhielt. Für immer und ewig vielleicht. Wie kamen sie dazu, zu glauben, daß ich das hinnehmen würde? Vielleicht bis zu meinem Tode? Allein gelassen mit mir und ein paar bunten Wandbildern? Und natürlich diesem irrsinnigen Alpha gleich Omega? Das war unter Umständen etwas für einen Stoiker, der jahrzehntelang darüber zu meditieren vermocht hätte, aber doch nichts für mich. Nichts für Menschen meines Jahrtausends, denen es Lebensbedürfnis war, ihrem Denken und Fühlen immer neue und weitere Räume zu erschließen.
    Ja, sie hatten mich aufgegeben, die Tantaliden, weil sie mich nicht kannten. Und vielleicht auch hatten sie sich selber aufgegeben. Doch wenn es sich so verhalten sollte, dann hatten sie möglicherweise das Recht, für sich selbst so zu entscheiden, aber nie und nimmer für mich, und schon gar nicht für meine Freunde, die sie vermutlich festhielten. Sie mußten sie festhalten, denn anders wäre es gegen jeden Sinn und Verstand gewesen. Warum aber jene und mich nicht? Genau besehen gab es nur einen Unterschied zwischen den Verschollenen und mir: Ich war freiwillig, bei vollem Bewußtsein dort auf Tantalus an Bord des Raumschiffes gegangen, meine Freunde jedoch hatten – gleich den Tantaliden selbst – schlafend in jenen durchsichtigen Sarkophagen geruht. Ich hatte dann hier eine Wohnung erhalten, doch was hatte man ihnen gegeben – Gorris, Wagner, Sobik und Carnsten?
    Nun breitete sich eine grimmige Entschlossenheit in mir aus. Ich würde es nicht dulden. Ich würde mich nicht fügen, und sollte ich zugrunde gehen darüber. Ich würde kämpfen bis zum letzten Atemzug – nicht mit Waffen, wohl aber mit meinem Willen und Verstand. Und das erste, was ich tun würde, war, noch in dieser Nacht hinüberzuwandern zu jenem zusammengebrochenen Berg. Das schien mir nun, nachdem alles vorbei war, verhältnismäßig risikolos zu sein, denn – wie früher schon vermerkt – es handelte sich eben nicht um einen echten Vulkan. Ich mußte herausfinden, was es wirklich war.
    Trotzdem dauerte es noch eine ziemliche Weile, bis ich mein Bein wieder so weit hatte, daß ich damit klettern und laufen konnte. Doch dann machte ich mich unverzüglich auf den Weg.
    Der Abstieg ließ sich wesentlich leichter an als der Aufstieg, sehr im Gegensatz zu normalen Gebirgen. Aber die Hänge hier waren kaum schroff zu nennen, nicht einmal sonderlich steil, und so vermochte ich, mit dem Rücken zum Berg, fast hinunterzutraben. Das ließ mir ausreichend Zeit, den Himmel zu beobachten. Ich wartete auf etwas. Ich wartete vergebens. Als ich damals, von meiner Terrasse aus, den ersten Bergeinsturz miterlebt hatte, war wenig später jenes Lichtband droben am Himmel erschienen, diese flammende Entladung drüben auf dem äußersten Planeten, die hinüberschwang zum mittleren und von dort geradewegs auf die Berge hier unten zugerast war,

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