Andular III (Das Erbe der Schicksalsweber) (German Edition)
der Turmspitze zu einem wabernden, grün schimmernden Schleier auffächerte, der sich wie eine hauchdünne Kuppel über das ganze Land legte.
„Der Schattenwall!“, rief Cale und betrachtete staunend den pulsierenden Lichtstrang.
„Der Schattenwallsplitter muss sich ganz in der Nähe befinden“, sagte Renyan und zusammen mit Cale, der ihn vorsichtig stützte, ging er auf den hohen Durchgang zu.
„Stufen“, seufzte er und sein Blick folgte einer breiten Wendeltreppe, deren glatte Stufen an der Turmwand weiter nach oben verliefen.
„Soll ich alleine gehen?“, fragte Cale, da er wusste, dass die Stufen Renyans Bein Probleme bescheren würden.
Renyan schüttelte den Kopf. „Kommt nicht in Frage! Wer weiß, was uns dort oben erwartet? Nein, ich komme mit. Es wird eben nur etwas länger dauern.“
Begleitet vom stetig lauter werdenden Summen des Schattenwalls arbeiteten sie sich langsam die Stufen hinauf, wobei Cale darauf achten musste, nicht allzu nah an das äußere Ende der Stufen zu gelangen, um nicht Hunderte Meter in die Tiefe zu fallen.
Renyan spürte den Schmerz in seinem Oberschenkel bei jeder Stufe aufs Neue. Er ließ abrupt nach, wenn er auftrat, und setzte sogleich wieder ein, wenn er den Fuß für einen weiteren Schritt anhob. Über eine halbe Stunde verging, bis sie schließlich das Ende der Treppe erreicht hatten. Das Summen war nun zu einem lauten Dröhnen angeschwollen.
„Dort!“, rief Cale und zeigte auf eine schmale Steinsäule, die etwa einen Meter hoch war und mitten auf dem glatten Boden der kreisrunden und dachlosen Spitze stand. Und einige Zentimeter über der Säule schwebte ein Kristallsplitter, von dem der Strang aus leuchtendem Licht ausging. Fast wie Großvaters Schön-Wetter-Apparat, dachte er.
„Holen wir ihn uns“, sagte Cale entschlossen und ging auf die Säule zu.
„Warte!“, rief ihm Renyan hinterher. „Wir wissen nicht, was passiert, wenn du nach ihm greifst.“ Er ließ sich zu Boden sinken und streckte sein verletztes Bein aus. Die vielen Stufen hatten sich schlimmer auf ihn ausgewirkt, als er vermutet hatte.
„Aber was sollen wir dann tun?“, fragte Cale ungeduldig und durchforstete seinen Kopf nach einer möglichen Lösung.
„Nimm Lumeos!“, rief Renyan schnaufend und winkte ihn heran. „Versuch den Splitter mit der Klinge hinunterzustoßen, aber sei vorsichtig und auf alles gefasst!“
Cale nickte, hievte das lange Schwert in die Luft und schritt wieder auf die Säule zu.
„Halt!“, hielt Renyan ihn erneut zurück und krümmte sich aufgrund der wieder aufkommenden Schmerzen. „Bring es wieder zurück!“
Cale sah ihn verwirrt über seine Schulter hinweg an. „Weshalb?“
„Weil weder deine Hände, noch die Klinge den Kristall erreichen werden. Du musst den Splitter des Amuletts benutzen.“
Cale schaute nun noch verwirrter drein. „Wie…weshalb?“
„Die einzelnen Splitter ziehen sich gegenseitig an, weil sie wieder eins werden wollen“, antwortete Renyan und sein Körper entspannte sich wieder. Jindos Hinweis, den er ihm in seiner Kajüte vor Asmadar mitgeteilt hatte, war ihm gerade noch rechtzeitig eingefallen.
Cale zog das Amulett über seinen Kopf und nahm es in die rechte Hand. Dann ging er ein weiteres Mal auf die Säule zu, und als er nur noch einen halben Meter von dem schwebenden Splitter entfernt war, streckte er seinen Arm aus.
„Es beginnt zu kribbeln!“, rief er Renyan zu, der gebannt zu der Säule hinüber starrte.
Und mit einem Mal begann sich der Splitter zu bewegen. Erst kippte er etwas zur Seite, dann drehte er sich um seine eigene Achse und wanderte schließlich über den Rand der Säule hinaus, worauf der Strang aus leuchtendem Licht augenblicklich abriss. Und gleich darauf löste sich auch die Kuppel über dem Turm auf.
Cale warf einen Blick über seine Schulter, und als er sah, dass Renyan ihm ermutigend zunickte, zog er seinen ausgestreckten Arm wieder näher an seinen Körper heran und griff mit seiner anderen Hand blitzschnell zu. Ein Gefühl von wohliger Wärme durchfuhr ihn, als sich seine Finger um den glatten Kristall schlossen. Er drehte sich erleichtert um und warf Renyan den Splitter zu, der ihn geschickt auffing und in die Innentasche seines Mantels steckte.
Als er seine Hand wieder herauszog, befand sich jedoch ein anderer Gegenstand in ihr. „Eile herbei Avakas, denn deine Hilfe wird benötigt!“, rief er mit fester Stimme, die weiße Feder hoch in die Luft gestreckt.
Langsam legte sich der
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