Andular III (Das Erbe der Schicksalsweber) (German Edition)
hatte, in dem sich zwei Flaschen Laresius, ein voller Wasserschlauch sowie ein kleiner Laib Brot befanden. Für einen normalen Raben wäre dies eine nicht zu bewältigende Last gewesen, doch Avakas schien überhaupt nicht erschöpft.
Nachdem sie ihre Wunden mit Laresius behandelt und etwas gegessen hatten, beschlossen sie, noch einen Tag länger auf der Turmspitze zu verbringen, da Renyans Bein immer noch nicht ausreichend verheilt war. So schickten sie Avakas wieder davon, um mehr Proviant aus Kasgaran zu besorgen.
Als der Rabe am Morgen darauf zurückgekehrt war, hatte er Renyan sogleich auf etwas aufmerksam gemacht, das sich nur wenige Hundert Meter weiter südlich von Kadagur ereignete, und so waren er und Cale hinunter auf die Brüstung geeilt, um von dort auf die Umgebung zu blicken. Und da sahen sie im Südwesten die Heerscharen der Slagramul auf die Küste zu marschieren, wie ein endloser schwarzer Fluss.
Voller Sorge hatten beide darauf in ihren Bruchstücken nach Crydeol und den anderen gesehen und erfahren, dass die Schlacht vor der Westküste Namagants bereits begonnen hatte.
Crydeol lag mit verbundener Schulter unter Deck, ebenso einige Soldaten und Fischer. Und sie sahen Jindo, der sich aufopfernd um die Verletzten kümmerte, während auf den Planken jedes Schiffes weiter gekämpft wurde. Talani und Molbar wirbelten durch die feindlichen Gruppen, ebenso Ziron und die weißen Wölfe, und auch Alenyon und seine Pfeiljäger, die ununterbrochen Pfeile durch die Luft schossen.
Was das eigentliche Ziel ihrer Angriffe war, hatten sie durch den goldenen Schleier des Kugelgebildes zunächst nicht sehen können, doch als sie Snirna schließlich zwischen den Schiffen und Flößen erblickt hatten, trauten sie ihren Augen kaum.
Die Schlange schien jedoch keineswegs aufseiten der Slagramul zu kämpfen, denn auch deren Flöße fielen ihrem aufpeitschendem Körper zum Opfer, oder wurden von ihrem riesigen Maul mit in die Tiefe gerissen. Snirna war wie im Wahn, rasend vor Hunger und durchdrungen von dem Verlangen, sich an den Augen ihrer Opfer satt zu fressen, durch die sie so viel würde sehen können.
Einige Zeit später hatten Renyan und Cale die Turmspitze in Begleitung des weißen Raben verlassen, nachdem Renyan einen markanten Fels im Westen entdeckt hatte, der einer riesigen, grauen Faust glich. Mit Hilfe von Tenyons Amuletts hatten sie sich genau an diese Stelle begeben und für eine Weile den Marsch der vorbeikommenden Slagramul beobachtet, bis Renyan schließlich zur weiteren Reise nach Nagram drängte und so benutzte Cale das Amulett erneut.
„Da wären wir also“, sagte er mit gedämpfter Stimme, als sie wie aus dem Nichts Hand in Hand auf einem verlassenen Platz auftauchten.
Avakas hatte kurz zuvor auf Renyans Schulter Platz genommen und schien nun doch ein wenig verwirrt.
„Ich glaube, der Sprung ist ihm nicht gut bekommen“, sagte Renyan leise und ließ den Raben auf seine Hand hüpfen.
„Der Sprung?“
„Ja, ich finde, wir sollten den Gebrauch des Amulettes einfach springen nennen, das klingt einfach besser.“
„Springen“, murmelte Cale nachdenklich und wiederholte es ein paar Mal, als müsse er sich erst an den Ausdruck gewöhnen.
„Das ist also Nagram, ja?“, sagte Renyan und betrachtete ihre neue Umgebung. So oft hatte er in den letzten Tagen über ihre Ankunft in der schwarzen Stadt nachgedacht, und mit jedem Mal hatten sich seine Vorstellungen über diesen Ort verfestigt. Tiefschwarze Festungsmauern hatten in seinen Gedanken Gestalt angenommen, umringt von meterhohen Türmen, in denen mehrere Wachen postiert waren, die jeden Ankömmling bereits aus weiter Ferne ankündigen würden. Nirgendwo sonst in Namagant würde er auf mehr Feinde treffen wie hier, da war er sich sicher. Doch von alldem war nichts zu sehen.
Anstatt von dicken Mauern umgeben, fand er sich inmitten einer verlassenen und zerfallenen Ruine wieder, dessen eingebrochene schwarze Mauern von dichten Pflanzen bewachsen waren. Über einen mit Pflastersteinen bedeckten Platz führten verwitterte Stufen zu dem einzigen Gebäude, dessen Kuppeldach noch nicht zerstört war. Dafür waren die beiden einzigen Fensteröffnungen zugemauert worden, teils mit losen Steinen, ohne Mörtel übereinandergelegt, aber immer noch so passend, dass sie die Öffnungen vollständig ausfüllten.
„Ich hatte eine schwer bewachte Festung erwartet, aber nicht solch eine Ruine“, sagte Renyan zu Cale gewandt. „Bist du sicher, dass
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