Andular III (Das Erbe der Schicksalsweber) (German Edition)
hielt. Und plötzlich, einer Lichtkugel gleich, schoss der Rabe auf Salagor zu und umkreiste ihn in einer unglaublichen Geschwindigkeit, sodass keine von Salagors Klauen ihn zu packen bekamen. Selbst nachdem Avakas von mehreren Druckwellen zurückgeworfen wurde, schoss er jedes Mal wieder nach vorn und setzte seine Flugmanöver fort.
Gut so, dachte Renyan und stieß sich langsam vom kalten Boden ab. Keuchend kam er wieder auf die Beine, doch er wankte und der Schmerz in seiner Hand kroch jetzt seinen Arm hinauf. Jede Bewegung seines Körpers war mit Schmerzen verbunden, dennoch griff er nach hinten an seinen Köcher und tastete mit der linken Hand nach seinem letzten Pfeil. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, als seine Fingerspitzen ihn endlich zu fassen bekamen. Er zog ihn hinaus und übergab ihn langsam an seine rechte Hand, in der er unruhig zitterte. Mit der freien Hand nahm er Noiril, streckte ihn von sich und spannte den Pfeil an die feinsilbrige Sehne.
„Danke, Avakas“, sagte er schwach und ließ den Pfeil los. Sein heller Klang schien die gesamte Halle einzunehmen, als er geradeaus auf den Thron zuschoss, während Renyan stöhnend den Bogen fallen ließ und so schnell wie er nur konnte an das Amulett fasste. Das Gefühl des Sprunges nahm er unter all den Schmerzen gar nicht wahr. Er spürte nicht, wie er aus dem Stand fortgerissen wurde und im Bruchteil einer Sekunde auf der obersten Stufe der Treppe wieder auftauchte, Salagors schattenhafte Fratze nur wenige Zentimeter von seinem eigenen Gesicht entfernt. Auch den Pfeil, der sich nun in seinen Rücken bohrte, spürte er nicht, außer dass er ihm für einen kurzen Moment den Atem raubte. Doch dann fühlte er das warme Blut seinen Rücken hinunter laufen und ebenso die starke Schwingung des Amulettes um seinen Hals und dem Splitter in seiner Tasche. Beide waren nun mit Salagors Splitter verbunden und Renyans größte Schwäche, seine Sterblichkeit, übertrug sich auf Salagor. Für einen Augenblick war es um Renyan totenstill geworden. Dann vernahm er ein gewaltiges Rauschen in seinen Ohren, wie Wellen, die peitschend durch seine Gehörgänge schossen. Sein trüber Blick fiel auf seine beiden Hände, die sich jetzt mit einem letzten Ruck in Salagors Gewand krallten und ihn dichter an sich heranzogen. Und mit einem Mal wich das Rauschen in seinen Ohren einem grellen Kreischen, das von weit herzukommen schien und langsam in die dumpfen Schläge seines Herzens überging, immer leiser und langsamer, bis alles um ihn herum schemenhaft und finster wurde. Dann schloss er seine Augen, wissend, dass er sie nie wieder öffnen würde.
Avakas stieß einen klagenden Schrei aus und sah auf die Stufen hinab. Dort lagen Salagors Gewand, Renyans lebloser Körper und drei leuchtende Steine. Der Rabe stieß zu ihnen hinunter, nahm einen der Splitter mit seinem Schnabel auf und die anderen beiden mit seinen Krallen. Dann warf er einen letzten Blick auf seinen toten Gefährten und flog davon.
Jenseits der Wolken
Taykoo rührte sich nicht. Das Wullom lag zusammengerollt auf Jestas Schoß und schlief so tief und fest, dass es nicht einmal erwachte, als die Tür des Baumhauses aufgestoßen wurde und Candol hereintrat. Der Zauberer warf einen raschen Blick durch den Raum, als würde er nach Jesta und Inoel suchen und setzte sich, nachdem er beide erblickt hatte, an den Tisch. „Setzt euch bitte“, sagte er und deutete vor sich auf zwei Stühle.
Jesta, der gerade auf Candols Bett saß, nahm Taykoo vorsichtig in die Hände und legte ihn sachte auf die Tagesdecke.
Nachdem Inoel und er Platz genommen hatten, blickte der Zauberer einen Moment lang gedankenverloren auf die dunkle Tischplatte. Dann holte er tief Luft und griff in eine seiner Taschen.
Jesta warf Inoel einen besorgten Blick zu. „Was ist los, Candol? Du bist heute ungewöhnlich lange fortgeblieben, wir haben uns schon Sorgen gemacht.“
Aber der Zauberer antwortete nicht, sondern zog lediglich wieder seine Hand aus der Tasche und legte sie geschlossen auf den Tisch. Als er sie öffnete, kamen zwei kleine Ringe und eine glänzende Kette zum Vorschein.
Jesta starrte überrascht auf die drei eingefassten Bruchstücke in Candols Handfläche und griff nach seiner Kette.
„Dann ist es vorbei?“, fragte Inoel und ihre Stimme zitterte leicht.
Der Zauberer nickte, ohne ihren Blick zu erwidern. „Das ist es. Salagor ist vernichtet.“
Jesta war nicht entgangen, wie bedrückt Candol geklungen hatte.
„Was ist
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