Anemonen im Wind - Roman
heimlich?«
»Charlie und ich heiraten nächste Woche. Es ist alles arrangiert.« Trotzig starrte sie Aurelia an und wartete auf ihre Reaktion.
»Nächste Woche?«, brüllte Aurelia. Dann sah sie das triumphierende Funkeln in Charlies Augen und seine Hand auf Ellies Schulter. Irgendetwas hier war ganz und gar nicht in Ordnung. Aurelia schauderte es, als ihr die einzig mögliche Erklärung dämmerte. »Warum?«, fragte sie unumwunden.
Ellie schob die Hände in die Taschen. Sie senkte den trotzigen Blick auf ihre Stiefelspitzen. Als sie sprach, war ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern. »Weil ich schwanger bin.«
SECHZEHN
D er leise Aufschrei klang wie ein kalter Wind in welkem Laub. Claire erstarrte, wo sie stand. Sie konnte ihre Mutter nicht anschauen, ertrug es nicht, die Bestätigung in ihren Augen zu finden. Denn dies war der dunkelste Augenblick ihres Lebens.
»Du musst die Zeit und den Ort bedenken«, sagte Ellie flehentlich. »Wir hatten damals keine Pille, und ein uneheliches Kind war für sein Leben gezeichnet. Es hätte keine richtige Geburtsurkunde gegeben, kein Erbrecht, keine Arbeitserlaubnis, keinen Militärdienst. Wir mussten heiraten.«
»Aber du hast ihn nicht geliebt«, murmelte Claire. »Das hast du gesagt. Warum also hast du es mit ihm gemacht?« Endlich brachte sie doch den Mut auf, ihrer Mutter ins Gesicht zu sehen, und was sie da sah, war erschreckend. Ellie schien in den letzten paar Minuten geschrumpft und alt geworden zu sein, und ihre Augen waren die eines verängstigten Kaninchens im Scheinwerferlicht.
»Ich … ich …«, stammelte Ellie und verstummte dann. Offensichtlich wollte sie die Frage nicht beantworten.
Claire schaute Aurelia an. Sie war grau vor Müdigkeit und Trauer. Leanne war fahl im Gesicht, ihre grünen Augen blickten gehetzt, wie sie so im Sessel saß und ihre Mutter anstarrte. Claire betrachtete Ellie eine ganze Weile. Es war, als sähe sie sie zum ersten Mal, und sie war nicht sicher, was sie im Lichte dieser Enthüllungen dabei empfand.
»Ich weiß, dass ihr alle viele Fragen habt, aber bitte lasst mich zu Ende erzählen, bevor ihr sie stellt. Es wird bald alles klar werden – und auch wenn ich weiß, wie hart das für dich sein muss, Claire, musst du versuchen zu verstehen, wie schwierig es für mich ist.«
Claire zitterte. »Schwierig?«, flüsterte sie. »Du hast mich jahrelang belogen, und trotzdem erwartest du, dass ich verstehe, wie schwierig es für dich ist?« Sie ließ sich in einen Sessel fallen. »Was für Lügen hast du sonst noch erzählt?«, fragte sie eisig. »Offensichtlich war das ja nicht die einzige.«
Es war dunkel geworden, und Ellie und Alicia stritten sich, während sie ihre abendlichen Hausarbeiten erledigten. »Du musst das doch nicht tun«, flehte Alicia. »Bitte, Ellie, überleg dir, worauf du dich einlässt. Charlie ist kein Mann für dich.«
Ellie beendete ihre Arbeit. Es gab keinen Ausweg aus ihrer Notlage. Eine unverheiratete junge Frau mit einem Kind würde Schande über sich selbst bringen, doch Aurelia würde den größten Teil davon zu spüren bekommen, und diesen Verrat konnte sie an ihrer Tante nicht begehen. »Ich werde Charlie heiraten, und damit hat sich’s«, sagte sie entschlossen. Scheppernd stellte sie die Wassereimer unter die Pumpe und füllte sie. »Je eher wir es tun, desto besser für das Baby.«
»Du heiratest ihn aus lauter falschen Gründen.« Alicia folgte ihr beharrlich über den Hof zu den Stallungen.
»Er ist der Vater meines Kindes«, antwortete Ellie.
»Charlie heiratet dich nur, weil er Warratah in die Hand bekommen will«, fauchte Alicia. »Er hat in Aurelias Safe herumgeschnüffelt und Dokumente und Testamente gelesen – und was weiß ich noch alles. Wenn du mir nicht glaubst, frag Aurelia. Frag Wang Lee. Er hat ihn dabei beobachtet.«
»Ich weiß nicht, wovon du redest«, erwiderte Ellie, aber diese Eröffnung hatte sie schockiert, und sie empfand jähes Unbehagen.
»Dann will ich dich aufklären«, zischte Alicia. »Wir waren alle draußen an dem Tag, als Charlie sich vornahm zu schnüffeln. Wang Lee merkte, dass er etwas im Schilde führte, und ging ihm nach. Er spähte durch die Tür und sah Charlie auf den Knien in Aurelias Zimmer. Die Bodendielen waren aufgestemmt, und die Safetür stand offen. Er las in den Papieren, die wir dort untergebracht hatten. Die Besitzurkunden für Jarrah und Warratah, die Testamente, die Treuhandverfügungen. Er schwitzte vor Aufregung.«
Ellie
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