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Anemonen im Wind - Roman

Anemonen im Wind - Roman

Titel: Anemonen im Wind - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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weg.«
    »Wir können ihn nicht allein losziehen lassen«, entgegnete Joe. »Er ist noch ein Kind, und er ist zu klein, um sich auf eigene Faust durchzuschlagen.« Er beugte sich näher zu seinem Bruder. »Lass es gut sein, Charlie«, warnte er leise.
    Mit finsterer Miene wandte Charlie sich ab und stieg auf sein Pferd. Er zog sich den Hut in die Stirn und funkelte die beiden anderen an. »Ich hoffe, am Ende dieses Weges wartet ein Job, Freundchen«, sagte er warnend zu Ellie. »Sonst gibt’s Ärger.«
    Sie waren tagelang unterwegs gewesen und der Bahn der Verwüstung gefolgt, die der Sturm auf seinem Weg über die Ebene angerichtet hatte. Curry hatte es schlimm getroffen; Dächer waren abgerissen, und das Wüten der Unwetter hatte Vieh meilenweit über das Land geschleudert und tot zurückgelassen. Die lange Straße, die von Curry aus weiterführte, war nicht mehr zu sehen. Als sie bei Threeways abbogen und sich auf Gregory Downs zubewegten, sahen sie auch hier entwurzelte Bäume und durchhängende Zäune in Dünen aus rotem Sand.
    Ellie schaute sich um, während sie an der Seite der beiden Brüder ritt. Es war eine trostlose Gegend, dieses Land, in dem ihre Tante wohnte, und sie fragte sich, wie jemand hier draußen überhaupt existieren konnte. Alles war staubig, das Gras silbrig und karg, meilenweit nichts als Leere. Der große Fluss war nur ein Rinnsal auf seinem Weg zur Nordküste, und die Billabongs, in denen zur Regenzeit das Wasser stand, lagen wie tönerne Pfannen unter Trauerweiden und Eichen.
    Aber je weiter sie nach Westen kamen, desto besser konnte Ellie verstehen, weshalb ihre Tante sich hier draußen angesiedelt hatte. Ellie konnte sich vorstellen, wie es aussehen musste,wenn die Regenfälle einsetzten. Denn als sie durch die Schlucht ritten, die sie zum fernen Südwestrand von Warratah bringen würde, gelangten sie nach der versengten Ebene in eine andere Welt: eine unglaublich grüne Welt mit hohen Kiefern, Feigenbäumen und Palmen. In einem tiefen, geheimnisvollen Bachlauf spielten Schildkröten und lauerten Süßwasserkrokodile, und der Busch ringsum war erfüllt vom Geschrei der Jabirus und Kakadus. Leuchtend rot, blau und zitronengelb blitzte es pfeilschnell zwischen den Zweigen, als Myriaden von Vögeln erschrocken aufflatterten, und die sanften grauen Wallabys richteten sich auf und beobachteten angespannt und fluchtbereit, wie die Eindringlinge ihr Lager aufschlugen.
    Joe hatte eines Tages ein Murmeltier gefangen und ein paar Yabbies ausgegraben, winzige Krebse, die sie über dem Feuer gekocht hatten und deren zartes weißes Fleisch so köstlich schmeckte, dass Ellie sich noch lange nach dem Essen die Finger geleckt hatte. An einem anderen Tag hatte Charlie das Gewehr hervorgeholt und zwei Enten geschossen, und Ellie hatte geholfen, sie zu rupfen, bevor sie die Vögel auf Äste gespießt und über dem Feuer gebraten hatten.
    Im Laufe der Tage fühlte Ellie sich zu den Jungen hingezogen. Es war nicht schwer, mit ihnen zu plaudern und sich ihnen anzuvertrauen. Sie teilten die Erfahrungen, die sie in ihrem Leben auf den Wallaby-Pfaden gemacht hatten, und fühlten sich dadurch einander verbunden. Im Laufe der Zeit wurde ihr klar, dass der Abschied von den beiden Jungen schmerzhaft sein würde.
    Doch Ellies Betrug lag wie ein Makel auf dieser neuen Freundschaft. Sie biss sich auf die Lippe, als sie sich den ersten Zäunen näherten, die den riesigen Besitz ihrer Tante umgaben. Jetzt, mitten in der Trockenzeit, gab es keine Garantie dafür, dass sie ihr Versprechen halten und den Jungen Arbeit verschaffen könnte. Ihre Lügen bereiteten ihr Gewissensbisse. Als »Ed« hatten siesie als einen der ihren akzeptiert, als einen Kumpel, dem sie weiterhalfen und der ihnen am Ende der Reise einen Job versprochen hatte. Sie aber hatte ihre wahre Identität weiterhin verschwiegen; es machte zwar Spaß, mit den beiden zusammen zu sein, aber Charlie hatte doch ein ziemlich unberechenbares Temperament erkennen lassen. Er war schon wütend genug darüber, dass er sie auf diesem weiten Weg begleiten musste. Da wusste der Himmel, was er tun würde, wenn er erfuhr, dass sie gelogen hatte und dass am Ende der Reise keineswegs ein Job auf die Brüder wartete.
    Sie ritten noch anderthalb Tage so weiter. Von der Farm selbst war noch nichts zu sehen, und allmählich fragte Ellie sich, ob sie sie jemals finden würden inmitten dieser niedrigen Hügel, die von verkrüppelten Gummibäumen übersät waren. Aber sie hatte

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