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Anemonen im Wind - Roman

Anemonen im Wind - Roman

Titel: Anemonen im Wind - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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Erinnerung zu vergleichen. Dann fiel sein Blick auf die hintere Koppel, und er begriff.
    »Nein!«, keuchte er. Seine Füße trommelten auf dem staubigen Boden, als er im Laufschritt den Hof überquerte und in Richtung Koppel rannte. »Nein!«, schrie er wütend und kletterte über den Zaun, um Ausschau nach seinem geliebten Satan zu halten. »Komm zurück, Charlie!«, brüllte er in die stille Weite hinaus. »Komm zurück, du Bastard!«
    »Was ist passiert?«
    Die helle Stimme ließ ihn zusammenschrecken. Beinahe übermannt von hilfloser Wut purzelte er vom Zaun herunter. Es war, als wäre er wieder zum Kind geworden. Ein Kind, dem man sein Lieblingsspielzeug gestohlen hatte. Wenn Charlie den Spaßdaran verloren hätte, würde er es kaputt zurückbekommen. Ein Kind, das in unerträglicher Weise verraten und betrogen worden war. »Mein Bruder, dieser Mistkerl, hat mir mein Pferd geklaut«, keuchte er. »Er hat Satan geklaut.« Er klapperte heftig mit den Lidern; er hatte keine Lust, vor Publikum die Beherrschung zu verlieren. In diesem Augenblick hätte er auf Ellie verzichten können.
    »Tante Aurelia hat ihn in aller Herrgottsfrühe gesehen, als er kam, um seine fünfzig Pfund abzuholen«, sagte Ellie leise. »Sie hat schon gesagt, dass sie es merkwürdig findet, dass du ihm dein Pferd gegeben hast.«
    Joe ballte die Fäuste, und seine Wut war kalt und unerbittlich. »Ich würde ihm Satan niemals geben«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Und das wusste er verdammt genau: Ich würde ihm Satan niemals geben. Deshalb hat der Bastard ihn sich genommen, als ich schlief.« Er blickte starr in die Ferne. »Ich bringe ihn um«, murmelte er. »Verflucht, ich bring ihn um, wenn er es wagen sollte, noch mal zurückzukommen.«
    Ellie nahm seine Hand, und lange Zeit standen sie da und starrten in die Ferne. Das Schweigen zwischen ihnen war nicht beklommen; es war, als wären ihre Gedanken plötzlich eins miteinander. Joe schaute das Mädchen an seiner Seite an und wusste, Ellie verstand, dass sie wie Blumen waren, die im Wind über dieses weite, leere Land wehten. Geiseln des Schicksals, von deren Leben nur die Fußspuren blieben, die sie im Staub hinterließen.
    »Es war doch nur ein Pferd«, hauchte Claire.
    Ellie schüttelte den Kopf. »Satan war für Joe mehr als nur ein gewöhnliches Pferd«, sagte sie leise. »Du darfst nicht vergessen, dass die Welt nach dem Crash an der Wall Street immer noch wankte. Die Jungen hatten am Anfang nichts als ihre Bündel auf dem Rücken und die Kleider am Leibe. Joe hatte Satan gefangen und gezähmt, und der Hengst symbolisierte, wie weit er gekommen war – all das, was er geschafft hatte. In praktischer Hinsicht war ein Pferd damals ein Transportmittel und ein Werkzeug für die Arbeit. Ohne sein Pferd besaß ein Mann gar nichts.«
    Verständnis keimte in Claire auf, als sie sich daran erinnerte, wie niedergeschmettert sie gewesen war, als ihr erstes Pony in ein Kaninchenloch getreten war und sich ein Bein gebrochen hatte und erschossen werden musste. Da war sie zehn gewesen, aber sie hatte immer noch ein Foto von ihm in der Brieftasche. Sie sah die Schatten, die über das Gesicht ihrer Mutter huschten, und wusste, dass es ihr Schmerzen bereitete, die Vergangenheit aufzuwühlen. Aber Claire spürte auch, dass es Ellie Erleichterung verschaffte, die Geschichte noch einmal zu erzählen – denn Geheimnisse konnten einem das Leben versauern – und sie in bunten Farben zu schildern. »Und wie ging’s weiter?«
    Die Augen ihrer Mutter waren dunkel wie geschmolzene Schokolade und ihre Sommersprossen verschwanden nicht ganz unter dem Puder, als sie das Gesicht jetzt der Sonne zuwandte. »Charlie bekam Gewissensbisse. Aber das beeinträchtigte seine Freude an Satan nicht, denn das Pferd lief wie der Wind. Er sagte sich immer wieder: Joe wird schon über den Verlust des Hengstes hinwegkommen. Er wird ein neues Pferd finden und Satan schließlich vergessen.«
    Ellie strich den Rock ihres Baumwollkleides glatt, stützte dann die Ellenbogen auf die Knie und legte das Kinn in die Hände. »Aber nachts, wenn er am Lagerfeuer lag und zu den Sternen hinaufschaute, wurde ihm bewusst, was er da wirklich getan hatte, und das bereitete ihm Unbehagen. Sie waren keine Kinder mehr. Der Verlust des Pferdes würde für Joe sehr viel mehr bedeuten als der irgendeines Spielzeugs, das Charlie ihm in früheren Zeiten stibitzt hatte. Er wusste, dass es niederträchtig gewesen war, seinem Bruder, der immer

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