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Anemonen im Wind - Roman

Anemonen im Wind - Roman

Titel: Anemonen im Wind - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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und Joe war nach Charlies Abschied ein festes Band entstanden, und sie hatten offenbar nichts dagegen, dass Ellie mitkam, wenn sie in die Ebene hinausritten. Sie waren beide ein paar Jahre älter als Ellie, aber ihr war nicht entgangen, dass die Augen des Mädchens leuchteten, wenn sie Seite an Seite mit Joe in den Stallungen arbeitete, und dass Seamus sie mit seinen Schmeicheleien betörte. Mickey Maughan und sein Sohn waren regelmäßige Gäste auf Warratah gewesen, und Aurelia hatte sich bemüht, niemals zu kommentieren, dass Ellie stets darauf aus war, bei Tisch neben Seamus zu sitzen. Sie hatte gewusst, dass Ellie von einer Art Heldenverehrung gepackt war, und gehofft, dass daraus eines Tages vielleicht etwas Handfesteres werden könnte.
    Sie seufzte. Es waren glückliche Zeiten gewesen, trotz Dürre und Kriegsgefahr, denn die Welt war noch unschuldig gewesen. »An jenem Tag ging die Trockenheit zu Ende. Es begann mit einem Donnerschlag. Der Himmel verdunkelte sich, und ehe wir uns versahen, tanzten wir alle zusammen im Schlamm, nass bis auf die Haut und sturztrunken vor Erleichterung.« Sie machte eine Pause. Nur zu gut erinnerte sie sich an diesen Tag, denn es war der Tag, an dem sie zusammengebrochen war und zum zweiten Mal in ihrem Leben geweint hatte. »Wir waren gerettet«, flüsterte sie schließlich. »Warratah würde überleben.«
    »Aber was hat das mit Charlie zu tun?«, fragte Claire stirnrunzelnd. »Hast du nicht gesagt, mit ihm sei etwas passiert?«
    Aurelia lächelte. Claire besaß den gleichen bohrenden Verstand wie ihre Mutter, den gleichen hartnäckigen Drang, immer alles genau zu erfahren. »Es sieht jetzt vielleicht noch nicht danach aus«, sagte sie leise. »Aber du musst verstehen, wie es damals auf Warratah zuging und wie sich Beziehungen entwickelten, die später von Bedeutung sein sollten.«
    Fröstelnd zog Claire eine Strickjacke aus ihrer Tasche. »Und wie ging’s mit Charlie und Satan weiter?«
    Aurelia schaute zu Ellie hinüber. »Diesen Teil kennst du besser als ich«, sagte sie. »Vielleicht solltest du es ihr erzählen.«
    Borroloola, ein Landstädtchen mitten in der Wildnis, hatte sich für den alljährlichen Trubel herausgeputzt, der ein ganzes Wochenende dauern würde. In dem verschlafenen Städtchen im Outback des Northern Territory geschah wenig, abgesehen von dem alljährlichen Pferderennen an diesem Wochenende, und es machte mitsamt der Girlanden und Fahnen einen beinahe verdutzten Eindruck, als Charlie an jenem Freitagmorgen auf Satan die Hauptstraße entlangritt.
    Steif und unbeholfen bewegten sich die Einheimischen in ihren Anzügen, Kleidern und Hüten aus dem Versandkatalog; sie paradierten in ihrem Sonntagsstaat auf und ab und erneuerten die Bekanntschaft mit Nachbarn, die sie nur selten zu sehen bekamen. Besucher aus der Großstadt stolzierten befangen über die Main Street; sie wirkten fehl am Platz in ihren blank geputzten Stiefeln und mit den modischen Buschhüten, und die Kinder kicherten auf den Bohlensteigen am Straßenrand. Es herrschte eine Atmosphäre der Aufgeregtheit, ein herzerwärmendes Gefühl selbst für die Kleinstädter – denn Borroloola war für einen Augenblick wieder zum Leben erwacht.
    Charlie beäugte die Pubs, in denen es bereits hoch herging, und dachte an das kalte Bier, das er nach dem weiten Ritt von Alice hierher gut gebrauchen könnte. Aber das würde noch warten müssen. Satan musste für das Rennen angemeldet werden,und er hatte keine Lust, ihn angebunden vor dem Pub stehen zu lassen, wo er gestohlen werden konnte.
    Sein Hütepferd scheute tänzelnd zurück, als drei Männer gewaltsam aus einem Hotel hinausbefördert wurden, damit sie ihre Prügelei auf der Straße fortsetzen konnten. Sie waren sternhagelvoll, und Charlie, dem die Wirkung des Alkohols nicht völlig fremd war, fragte sich grinsend, ob die drei wenigstens noch wussten, welcher Wochentag heute war. Wenige Augenblicke später waren sie wieder die besten Freunde und torkelten Arm in Arm zurück ins Hotel, um das zu begießen.
    Charlie ritt weiter auf die Rennbahn zu, die inmitten der ockerfarbenen Umgebung einen bunten Farbfleck bildete. Obwohl es noch früh war, herrschte hier schon ein reges Treiben. Charlie führte Satan zu den Ställen hinter der frisch gestrichenen Tribüne. Sulkys und Wagen standen aufgereiht an der Außenseite der Rennstrecke, auf der bereits ein rundes Dutzend Pferde bewegt wurde. Die Fahne flatterte lethargisch über den Rängen, und der schmale

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