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Anemonen im Wind - Roman

Anemonen im Wind - Roman

Titel: Anemonen im Wind - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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weiße Zaun, der die Rennbahn umgab, hob sich grell von den bewaldeten Höhen auf der anderen Seite ab. Eine Blaskapelle spielte sich warm, und die Buchmacher ölten sich im Bierzelt die Kehlen, ehe der Ansturm losging.
    Mit kribbelnder Aufgeregtheit sah Charlie, wie die Pferde auf der schnellen, festen Bahn bewegt wurden. Keines von ihnen hatte Satans Klasse, keines war so schnell wie er, Charlie bemerkte es mit Zufriedenheit. Das dürfte ein leichtes Rennen werden.
    Dies war nicht sein erstes Rennen, seit er seinem Bruder das Pferd gestohlen hatte, und es würde nicht sein letztes sein. Der verdammte Hengst war ein Wundertier, nachdem er begriffen hatte, woher der Wind wehte, und sich beruhigt hatte. Charlie hatte gutes Geld mit ihm verdient.
    Jetzt führte er den Braunen zum Stallhof, gab ihm zu saufen und rieb ihn ab. Die lange Reise hatte dem Tier offensichtlichnichts ausgemacht; Satan schien es kaum erwarten zu können, wieder zu laufen.
    »Sieht gut aus, das Pferd«, sagte eine vertraute Stimme.
    Charlie fuhr herum. »Snowy White!«, rief er. »Was zum Teufel machst du denn hier?« Verblüfft musterte er die schlanke Gestalt und die kraftvollen dunklen Züge des Aborigine. Mindestens fünf Jahre waren vergangen, seit er den Viehtreiber auf der Farm von Gowrie gesehen hatte, und auch wenn sich silbrige Fäden durch das krause, rotbraune Haar zogen, wirkte Snowy eigentlich nicht älter als damals.
    »Gönne mir ’n kleinen Feiertag«, sagte Snowy mit gewohnter Fröhlichkeit. Sie schüttelten einander die Hand. »Höre, dein Bruder ist noch auf Warratah. ’ne Schande, dass ihr euch streiten musstet.« Er betrachtete das Pferd eine ganze Weile und richtete dann einen vorwurfsvollen Blick auf Charlie. »Ist nicht in Ordnung, Charlie. Nicht das Pferd eines andern.«
    Charlie war wie vom Donner gerührt, als er begriff, dass die Kunde von seinem Diebstahl sich herumgesprochen hatte. »Ich hab keine Ahnung, was du gehört hast, Kumpel, aber mein Bruder hat mir Satan geschenkt. Er gehört mir.« Er reckte die breiten Schultern und starrte Snowy herausfordernd an. Wenn es zum Kampf kommt, dachte er hitzig, werde ich Hackfleisch aus Snowy machen, auch wenn der Mann größer ist als ich.
    Snowy betrachtete ihn nachdenklich. Er wirkte nicht überzeugt. »Hab was anderes gehört, Kumpel.« Er hatte wohl die Kampflust in Charlies Augen funkeln sehen, denn er zuckte die Achseln und kaute auf einem Streichholz. »Geht mich ja nichts an«, knurrte er.
    Sie schwiegen beide, und Snowy streichelte Satans Hals. Er schien es nicht eilig zu haben, wieder zu gehen. »Wie stehen seine Chancen, was glaubst du?«
    Charlie war erleichtert, dass er das Thema wechseln konnte, aber er hatte in seiner unregelmäßigen Laufbahn als Galoppreiterschon früh gelernt, dass er wachsam wie ein Luchs sein musste, und er wusste nicht, wie es mit Snowys Loyalität hinsichtlich seines Bruders und seines Pferdes bestellt war. »Bei dieser Art Rennen weiß man das nie«, erklärte er vorsichtig. »Wir könnten noch ein paar gute Tiere übersehen haben – einheimische Pferde oder so.«
    »Ist er schon mal gelaufen?«, fragte Snowy – allzu gleichgültig für Charlies Geschmack.
    »Er ist ganz in Ordnung. Hat ziemliches Tempo, hält’s aber nicht länger durch als eine Meile.« Er machte bei dieser Lüge absichtlich ein nichts sagendes Gesicht. Satan hatte sich schon etliche Male auch auf längeren Distanzen bewährt, aber es würde Charlies Börse nicht schwerer machen, wenn die Quote sich verschlechterte, weil es sich herumsprach.
    Snowy strich mit fachmännischer Hand über Satans Fell. »Er sieht aber besser aus, Kumpel«, sagte er leise. »Ich erkenne erstklassiges Pferdefleisch.« Seine Miene war kühl, der feste Blick seiner bernsteinfarbenen Augen enervierend. »Schätze, du hast da ’ne Schönheit.«
    »Und was hast du so getrieben, seit wir von Gowrie weg sind?«, fragte Charlie in einem verzweifelten Versuch, Snowy von Satan abzulenken.
    Snowy kaute auf seinem Streichholz. Der Schatten seiner Hutkrempe verdunkelte seine breiten Gesichtszüge. »So dies und das«, sagte er gedehnt. »Hab Gowrie vor ungefähr einem Jahr verlassen. Paar Zäune gebaut, Vieh getrieben, Pferde zugeritten. Mach ich jetzt auch. Reite für Vestey zu, drüben auf Wave Hill.«
    Charlie vermutete, dass Snowy es ganz gut getroffen hatte, wenn er für Lord Vestey arbeitete. Der Familie gehörten mindestens siebzehn Rinderfarmen, die sich in einer fast ununterbrochenen

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