Ange Pitou, Band 2
hat.
Aber Gräfin, warum und wie haben wir Sie ohnmächtig in diesem Kabinett gefunden? fragte Marie Antoinette.
Oh! es wäre mir unmöglich, das zu erzählen, Madame. Ich weiß es selbst nicht; doch bei diesem Leben der Beschwerlichkeiten, der Schrecken und der Gemütsbewegungen, das wir seit drei Tagen führen, ist, wie mir scheint, nichts natürlicher, als die Ohnmacht einer Frau.
Das ist wahr, murmelte die Königin, die bemerkte, daß Andree die Absicht habe, sich in ihrer Zurückhaltung keinen Zwang gefallen zu lassen.
Aber, sprach Andree mit der seltsamen Ruhe, die sie nicht verließ, sobald sie wieder Herrin ihres Willens geworden war, und die in schwierigen Umständen um so peinlicher wurde, als man leicht sah, sie sei nur Maske, und bedecke völlig menschliche Gefühle, aber Eure Majestät hat ganz feuchte Augen.
Und diesmal glaubte der Graf in den Worten seiner Frauden ironischen Ausdruck zu finden, den er einen Augenblick zuvor in den Worten der Königin bemerkt hatte.
Madame, sagte er zu Andree mit einer leichten Strenge, bei der man fühlte, daß seine Stimme nicht daran gewöhnt war, man darf sich nicht wundern, daß die Königin Thränen in den Augen hat; die Königin liebt ihr Volk, und das Blut des Volkes ist geflossen.
Gott hat zum Glück das Ihrige verschont, mein Herr, versetzte Andree, immer gleich kalt, immer gleich unerforschlich.
Ja, doch es handelt sich nicht um Ihre Majestät, sondern um Sie, Madame! kommen wir also auf Sie zurück, die Königin erlaubt es?
Marie Antoinette nickte beistimmend mit dem Kopf.
Sie haben bange gehabt, nicht wahr?
Ich?
Sie haben gelitten, leugnen Sie es nicht! es ist Ihnen ein Unfall begegnet, welcher? ich weiß es nicht, doch Sie werden es uns sagen.
Sie irren sich, mein Herr.
Sie haben sich über jemand, über einen Mann zu beklagen gehabt?
Andree erbleichte.
Ich habe mich über niemand zu beklagen gehabt, ich komme vom König.
Unmittelbar?
Unmittelbar. Ihre Majestät kann sich erkundigen.
Wenn es sich so verhält, so hat die Gräfin recht, sagte Marie Antoinette. Der König liebt sie zu sehr und weiß, daß ich ihr zu sehr gewogen bin, um ihr in irgend einer Hinsicht unverbindlich begegnet zu sein.
Aber Sie haben einen Namen ausgesprochen, versetzte Charny beharrlich.
Einen Namen?
Ja, als Sie wieder zu sich kamen.
Andree schaute die Königin an, als wollte sie dieselbe zusich rufen; aber, sei es nun, daß die Königin sie nicht verstand oder nicht verstehen wollte, erwiderte sie der Gräfin:
Ja, Sie haben den Namen Gilbert ausgesprochen.
Gilbert! Ich habe den Namen Gilbert ausgesprochen! rief Andree mit einem Ausdruck so voll Schrecken, daß sich der Graf mehr von diesem Schrei betroffen fühlte, als er es von der Ohnmacht gewesen war.
Ja, sagte er, Sie haben diesen Namen ausgesprochen.
Ah! wahrhaftig, erwiderte Andree, das ist seltsam.
Allmählich, wie sich der Himmel nach dem Blitze wieder schließt, nahm die Physiognomie der jungen Frau, die bei dem unseligen Namen so gewaltig verstört ausgesehen hatte, wieder ihre Reinheit und Ruhe an, und nur einige Muskeln dieses schönen Gesichts bebten noch fort, wie wenn am Horizont die letzten Zeichen des Sturmes verschwinden.
Gilbert, wiederholte sie, ich weiß es nicht.
Ja, Gilbert, sagte die Königin. Suchen Sie, meine liebe Andree.
Aber, Madame, sprach der Graf zu Marie Antoinette, wenn das nur Zufall und dieser Name der Gräfin ganz fremd ist?
Nein, erwiderte Andree; nein, er ist mir nicht fremd. Es ist der eines gelehrten Mannes, eines geschickten Arztes, welcher, glaube ich, von Amerika ankommt und dort mit Herrn von Lafayette in Verbindung stand.
Nun? fragte der Graf.
Nun! wiederholte Andree auf eine vollkommen natürliche Weise, ich kenne ihn nicht persönlich, aber es soll ein sehr ehrenwerter Mann sein.
Warum dann diese Bewegung, liebe Gräfin? fragte die Königin.
Diese Bewegung? Bin ich bewegt gewesen?
Ja, es war, als empfänden Sie, indem Sie diesen Namen aussprachen, eine Qual.
Das ist möglich; vernehmen Sie, was geschehen ist: ich traf im Kabinett des Königs einen schwarzgekleideten Mann,einen Mann mit strengem Gesicht, der von düsteren, erschrecklichen Dingen sprach; er erzählte mit einer gräßlichen Wirklichkeit die Ermordungen des Herrn de Launay und des Herrn von Flesselles. Ich bin darüber erschrocken und in Ohnmacht gefallen, wie Sie gesehen. Dann habe ich vielleicht gesprochen; dann habe ich vielleicht den Namen dieses Herrn Gilbert genannt.
Das ist
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