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Ange Pitou, Band 2

Titel: Ange Pitou, Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Dumas
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sie öffnen wollte, erschollen Tritte im Korridor, und eine Hand legte sich auf den äußeren Drücker der Thüre.
    Zu gleicher Zeit vernahm man die Stimme von Ludwig XVI., der seinem Kammerdiener für die Nacht Befehle gab.
    Der König! Madame! sagte Andree, während sie mehrere Schritte rückwärts that; der König!
    Nun! ja, der König! erwiderte Marie Antoinette. Macht er Ihnen dergestalt bange?
    Madame, in des Himmels Namen, rief Andree, daß ich den König nicht sehe, daß ich mich ihm wenigstens heute abend nicht gegenüber befinde; ich würde vor Scham sterben.
    Aber Sie werden mir doch sagen...
    Alles, alles, wenn es Eure Majestät verlangt. Doch verbergen Sie mich.
    Treten Sie in mein Boudoir ein, sprach Marie Antoinette, Sie werden es verlassen, sobald der König weggegangen ist. Seien Sie unbesorgt, Ihre Gefangenschaft wird nicht lange währen; der König bleibt nie lange hier.
    Oh! Dank! Dank! rief die Gräfin.
    Und sie eilte in das Boudoir und verschwand in dem Augenblick, als der König, die Thüre öffnend, auf der Schwelle des Zimmers erschien.
    Der König trat ein.

An was der König in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 1789 dachte.
    Wie lange diese Unterredung gedauert, vermöchten wir nicht zu sagen, sie verlängerte sich indessen; denn erst gegen elf Uhr abends konnte man die Thüre des Boudoirs der Königin sich öffnen und Andree auf der Thürschwelle beinahe knieend die Hand von Marie Antoinette küssen sehen.
    Dann, als sie sich wieder erhob, wischte die junge Frau ihre von Thränen geröteten Augen ab, während die Königin ihrerseits in ihr Zimmer zurückkehrte.
    Andree, im Gegenteil, als ob sie sich selbst hätte entweichen wollen, entfernte sich rasch.
    Von diesem Augenblick an blieb die Königin allein. Als die Dame vom Bettdienst eintrat, um ihr sich auskleiden zu helfen, fand sie Marie Antoinette mit funkelnden Augen und mit großen Schritten im Zimmer auf- und abgehend.
    Sie machte mit der Hand eine rasche Geberde, die besagen wollte: Lassen Sie mich.
    Die Dame vom Bettdienste entfernte sich sogleich wieder.
    Nun war die Königin ganz allein; sie hatte verboten, sie zu stören, wäre es nicht wegen wichtiger, von Paris eintreffender Nachrichten.
    Andree erschien nicht wieder.
    Was den König betrifft, so erklärte er, nachdem er sich mit Herrn de la Rochefoucault unterhalten hatte, der ihm den Unterschied, der zwischen einem Aufruhr und einer Revolution obwalte, begreiflich zu machen suchte -- er erklärte, er sei müde, legte sich nieder und entschlummerte, nicht mehr und nicht minder ruhig, als wenn er auf der Jagd gewesen wäre und der Hirsch (ein wohl dressierter Hofmann) sich hätte im Schweizer-Teich fangen lassen.
    Die Königin schrieb ein paar Briefe, ging in das nächste Zimmer, wo ihre zwei Kinder unter der Obhut der Frau von Tourzel schliefen, und legte sich zu Bette, nicht um zu schlafen, wie der König, sondern um nach ihrem Gefallen zu träumen.
    Doch bald, als die Stille Versailles in Besitz genommen hatte, als der ungeheure Palast in Finsternis getaucht war, als man in der Tiefe der Gärten nur noch die auf dem Sande krachenden Tritte der Patrouillen, in den langen Korridors nur noch den sachte auf die Marmorplatte stoßenden Gewehrkolben hörte, stieg Marie Antoinette, ihrer Ruhe müde, das Bedürfnis zu atmen fühlend, aus ihrem Bette, zog ihre Sammetpantoffeln an, hüllte sich in ein langes Nachtgewand, trat ans Fenster, um die von den Kaskaden aufsteigende Kühle zu schlürfen und im Vorüberziehen die Ratschläge aufzufassen, die der Nachtwind den brennenden Stirnen, den gepreßten Herzen zuflüstert.
    Dann durchging sie in ihrem Geiste alles, was ihr dieser seltsame Tag an unvorhergesehenen Ereignissen gebracht hatte:
    Den Fall der Bastille, dieses sichtbaren Emblems der königlichen Gewalt; die Schwankungen Charnys, dieses ergebenen Freundes, dieses leidenschaftlichen Gefangenen, den sie seit so vielen Jahren unter dem Joche hielt, und der, nachdem er nur Liebe geseufzt hatte, zum ersten Mal Bedauern und Reue zu seufzen schien.
    Mit jener Gewohnheit der Zusammenstellung, die den großen Geistern die Bekanntschaft mit Menschen und Dingen giebt, machte Marie Antoinette auf der Stelle zwei Teile ausdem Mißbehagen, das sie empfand und das ein politisches Unglück und einen Herzenskummer in sich schloß.
    Das politische Unglück war die große Nachricht, die sich über die Welt verbreiten und in allen Geistern die bis dahin den Königen, als Mandataren Gottes,

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