Angeklagt - Dr. Bruckner
operiert, möglicherweise meint mich der Schreiber; denn uns sind in der letzten Zeit tatsächlich drei alte Patienten gestorben, die alle an einer unheilbaren Krankheit litten.«
»Haben Sie etwa hier eine Art Euthanasie betrieben?« Frau Wegeners Stimme klang scharf.
Wieder sah es aus, als ob Dr. Bruckner auffahren wollte. Er biß sich auf die Lippen und ballte seine Hände zu Fäusten. Schließlich sagte er ernst: »Ich bitte Sie, mit Ihren Worten etwas vorsichtiger zu sein. Wir haben bei Ihrem Mann alles getan, was wir tun konnten, um ihm die letzten Wochen seines Lebens zu erleichtern. Wenn Sie das als Euthanasie bezeichnen, dann bin ich damit einverstanden; wenn Sie aber annehmen, daß wir unsere Patienten umbringen, dann können Sie mir wirklich leid tun. Im übrigen können Sie Ihren Mann sofort mit nach Hause nehmen! Wenn Sie genügend Zeit haben, ihn zu pflegen, dürfte das wohl die beste Lösung sein.«
»Ich soll meinen Mann in dem Zustand nach Hause nehmen!« Frau Wegener rang nach Atem. »Dazu habe ich keine Zeit. Das wäre doch eine ungeheure Belastung für mich. Wozu haben wir denn Krankenhäuser, wenn wir unsere Kranken dort nicht unterbringen können? Nein, nein –«, sie hob abwehrend ihre Hand, »das kommt nicht in Frage! Ich kann mich doch nicht mit einem Schwerkranken belasten.« Sie dachte einen Augenblick nach. »Kann ich jetzt zu ihm?«
»Selbstverständlich!« Dr. Bruckner öffnete die Tür. »Da ist Schwester Angelika –«, er winkte der Stationsschwester, »sie wird Sie zu ihrem Mann bringen. Bitte«, wandte er sich an Schwester Angelika, »führen Sie Frau Wegener zu ihrem Mann.«
Frau Wegener machte ein paar Schritte, blieb dann stehen und kam noch einmal zurück. »Ihr Pfleger sagte mir, daß hier alle Patienten seziert würden?«
Dr. Bruckner antwortete erstaunt: »Es wäre schön, wenn das möglich wäre. Aber leider haben wir dazu nicht die Zeit.«
»Es wäre schön? So!« Frau Wegener sah Dr. Bruckner mit einem merkwürdigen Blick an. »Ich weiß zwar nicht, was an einer Sektion schön ist; ich möchte aber auf keinen Fall, daß mein Mann nach dem Tod auf einem Seziertisch landet. Hören Sie mich?« Sie sprach so laut, daß Schwester Angelika, die schon ein paar Schritte vorgegangen war, zurückkam. »Ich verbiete Ihnen ausdrücklich, eine Sektion bei meinem Mann vorzunehmen!«
»Aber er ist doch noch gar nicht tot!« Schwester Angelika schaute Frau Wegener kopfschüttelnd an.
»Die Verfügung, daß nicht seziert werden darf, muß ich aber bei Lebzeiten treffen. Sonst schnappen Sie ihn einfach und machen ihn auf! Soviel ich weiß, steht das doch wohl in den Krankenhausbedingungen, die eine Sektion ausdrücklich erlauben.«
»Aber nur, wenn sie zur Klärung eines Falles unbedingt not wendig ist.« Dr. Bruckner versuchte, die Erregung der Besucherin etwas abzuschwächen.
»Die Ärzte finden immer einen Grund, daß so etwas notwendig ist. Ich wiederhole«, sie hob ihren Zeigefinger wie eine Lehrerin, die ihren Schülern etwas Schwieriges erklären will, »daß ich jegliche Sektion bei meinem Mann verbiete. Und nun –«, sie wandte sich an Schwester Angelika, die wartete, »möchte ich zu ihm.«
Die Schwester schaute fragend Dr. Bruckner an. Es sah aus, als ob sie es ablehnen wollte, Frau Wegener zu begleiten. Erst als Dr. Bruckner ihr zunickte, ging sie auf das Krankenzimmer zu, in dem der frisch Operierte lag und öffnete die Tür.
»Sie haben den Patienten in ein Einzelzimmer gelegt?« fragte Dr. Bruckner.
»Ja, jedenfalls für die ersten Stunden. Sie meinten zwar, daß wir ihn in die Allgemeine Abteilung legen sollen, aber das ist pflegerisch dann so schwer. Sobald er sich von der Operation erholt hat, werden wir ihn in ein Dreibettzimmer legen. Es sei denn –«, sie wandte sich an die Frau des Patienten, »Sie nehmen Ihren Mann mit nach Hause.«
»Ich sagte schon, daß das auf keinen Fall in Frage kommt. Meine Wohnverhältnisse sind beschränkt. Hier ist er ja ganz gut aufgehoben, wenn nicht …« Sie warf einen vernichtenden Blick auf Dr. Bruckner, wandte sich um und rauschte durch die von Schwester Angelika offengehaltene Tür in das Krankenzimmer.
Schwester Angelika schloß die Tür hinter ihr. Kopfschüttelnd wandte sie sich an den Oberarzt: »Manieren haben diese Menschen!«
Dr. Bruckner ging ans Fenster. Er nahm seine Pfeife aus der Tasche, stopfte sie, lehnte aber ab, als Dr. Heidmann ihm ein brennendes Streichholz hinhielt. »Danke; ich glaube, mir
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