Angel City Love (German Edition)
Stiefvater.
Darcy stand am Rand eines Nervenzusammenbruchs, als Jackson endlich eintraf. »Wo hast du bloß gesteckt?«, zischte sie ihm leise zu, während sie ihn rasch in die Suite schleifte, in der er die nächsten Stunden ein Interview nach dem anderen geben würde. Sie blickte geradeaus und blendete die Journalisten, die bereits ungeduldig auf Jackson warteten und ihn neugierig beäugten, mit einem Tausend-Watt-Lächeln. »So, unser Star ist hier!«
»Tut mir leid, Darcy. Ich musste mich, äh, noch um was kümmern«, flüsterte Jackson. Wieder wanderten seine Gedanken zu dem Klassenzimmer an der Angel City Highschool.
» Jackson, das hier ist es, worum du dich kümmern musst!« Das hatte Darcy möglichst leise geantwortet. Jackson blickte zu den Fotografen und Journalisten, die begierig auf ihre Story warteten. Dieses Mal blendete er es aus, dieses stechende Gefühl, gar nicht wirklich anwesend zu sein, ehe es eine Chance hatte, sich in ihm auszubreiten.
Die Interviews liefen im Grunde alle nach demselben Schema ab. Wie geht es dir damit, der jüngste Schutzengel aller Zeiten zu sein? Wer, glaubst du, wird dein erster Schützling werden? Denkst du, dass du schon in deinem ersten Jahr einen Lotteriegewinner als Schützling bekommst? Was bedeutet es für dich, zum Schutzengel zu werden? Sie alle hatten ein Dokument unterschreiben müssen, in dem sie sich einverstanden erklärten, keinerlei Fragen zu dem Vorfall der vergangenen Nacht im Diner zu stellen. Darauf hatte Mark bestanden.
Jackson beantwortete wieder und wieder die gleichen Fragen, während ein Journalist nach dem anderen zu ihm in die Hotelsuite kam. Gelegentlich nahm Jackson einen Schluck aus einer Wasserflasche. Selbst die abgebrühtesten Reporter waren in seiner Gegenwart völlig fasziniert. Nicht selten verhaspelten sie sich vor lauter Aufregung und wurden rot. Jackson tat für gewöhnlich so, als würde er das nicht bemerken, aber dieses Mal bekam er wirklich nichts mit. Nach einer Weile hatte er das Gefühl, als würde er gar nicht mehr selbst den Journalisten antworten, sondern als wäre er weggetreten und an seiner Stelle saß da jemand, der nur aussah wie Jackson, und beantwortete die Fragen. Ja. Nein. Total aufgeregt! Kann es gar nicht erwarten, endlich Verantwortung zu übernehmen! Das gehört nun mal zu den Aufgaben eines Schutzengels. Das Klicken und Surren der Fotoapparate, die Lichter und das Mikrofon, das man ihm ans Revers geheftet hatte und das jede einzelne Silbe aufzeichnete, die er sprach: Mit einem Mal kam ihm alles wieder unwirklich vor. Stattdessen konzentrierte er sich auf das Einzige, was ihm an diesem Tag real erschienen war: Maddy.
Doch nach einer Weile riss ihn ein Journalist mit einer Frage aus seinem Dämmerzustand, sodass er sich in der Hotelsuite und in der Realität wiederfand.
»Könnten Sie das wiederholen?«, bat Jackson, und zum ersten Mal registrierte er den Mann, der da vor ihm saß, ein übergewichtiger Kerl mittleren Alters, der in seinem billigen weißen Baumwollhemd und der Polyesterkrawatte schwitzte wie ein Schwein. Er hielt einen Stenoblock und einen Bleistift gezückt.
»Ich habe gefragt, wie stehen Sie zu der wachsenden Bewegung in Amerika, die den Engeln und vielem, was hier in Angel City geschieht, kritisch gegenübersteht?«
»Jackson, diese Frage musst du nicht beantworten …«, mischte Darcy sich ein und stand auf. Der Reporter hatte sich nicht daran gehalten, lediglich unverfängliche Fragen zu stellen.
»Nein, nein, schon okay.« Jackson bedeutete Darcy mit einer Geste, sie solle sich raushalten. »Wie, meinen Sie die MVF ? Den Kerl, der angekündigt hat, er würde einen Krieg gegen die Engel führen, und der sich als Hauptschuldigen die Godspeeds auserkoren hat?« Er lachte. »Diese Typen sind doch vollkommen durchgeknallt. Wenn wir uns Sorgen machen würden wegen jedem …«
Der Reporter sah ihn unverwandt an und vollendete seinen Satz: »… ›jedem Irren mit einer Videokamera, einem Internetzugang und einer eigenen Meinung.‹ Ich bin mit ihrer Standardantwort vertraut. Nein, Jackson, ich spreche nicht von der MVF , sondern vom amerikanischen Durchschnittsbürger. Wie Sie vielleicht wissen, wurde Ted Linden soeben in den US-Senat gewählt, ein unabhängiger, überwiegend engelskritisch eingestellter Mann. Er wird wohl seit zwanzig Jahren der erste Senator sein, der keinen Schutzengel hat. Er pocht auf absolute Transparenz, was die Beziehung zwischen den Engeln und der Regierung
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