Angel Eyes. Zwischen Himmel und Hölle (German Edition)
aus dem Weg gegangen, was nicht anders zu erwarten war. Nach der letzten Stunde hat sie mir einen Blick zugeworfen, bei dem ich beinah gestorben wäre.
Die letzte Nacht war auch die reine Hölle. Unentwegt habe ich an Frannie gedacht. Ich musste einfach zu ihr. Gabriel hat sie nach Hause gefahren, das weiß ich, denn ich bin ihm gefolgt. Anschließend habe ich die Nacht lang in meinem Wagen vor ihrem Haus gewacht. All meine Kraft musste ich darauf verwenden, um nicht in den Baum und durch ihr Fenster zu klettern. Und was habe ich tagsüber getan? Mir den Kopf darüber zerbrochen, was ich als Nächstes machen soll. Was ich immer noch nicht weiß. Nur eines ist mir klar: Ich muss sie vor Belias schützen, aus vielerlei Gründen.
Tja, wer hätte das gedacht? Lucifer, der große Beschützer. Zum Totlachen.
Wie dem auch sei, Frannie ist mein Auftrag. Das ist das eine. Ich will nicht in den Tiefen des Fegefeuers landen. Abgesehen davon lässt mein Stolz nicht zu, dass ich versage. Falls Frannie tatsächlich so wichtig ist, möchte ich das Lob für ihre Seele einstreichen. Das andere ist, dass ich weiß, wie Belias arbeitet. Er darf sie nicht anrühren, schon den Gedanken kann ich nicht ertragen. Niemals darf ihre Seele an diesen widerlichen Typ gebunden sein.
Es darf und wird nicht passieren. Selbst Gabriel wäre mir da lieber.
Denn ich liebe Frannie.
Anders kann ich mir meine Gefühle einfach nicht erklären: Wenn ich sie sehe, bin ich wie im Rausch. Wenn ich an sie und Belias denke, sträubt sich alles in mir. Wenn ich sie nicht sehe, vermisse ich sie. Wie ist das möglich? Es gibt keine Liebe in der Hölle. Das ist doch eine ziemlich einfache Regel, oder etwa nicht? Die Liebe widerspricht allem, woran wir glauben.
Aber trotzdem spüre ich sie, diese Liebe, und ich kann nichts dagegen tun. Was auch heißt, dass ich Frannie vor mir beschützen muss. Denn wenn ich sie mir nehme, gehört sie letztlich der Hölle, nicht mir. Frannie ist eine Seherin, davon bin ich mittlerweile so gut wie überzeugt. König Lucifer wird sich ihrer bedienen, so lange, bis Frannies Seele nur noch eine leere Hülle ist. Danach wird er sie fallenlassen und zu den anderen Schattengeistern schicken. Unzählige Male habe ich das schon erlebt. Und hinterher wird Frannie tot sein: ihr Körper, ihr Geist und ihre Seele.
Noch nie in meinem Leben habe ich einen Auftrag in Frage gestellt. Das steht mir gar nicht zu. Im Übrigen bekommen die meisten Sterblichen genau das, was sie verdienen. Aber Frannie ist anders. Sie ist einzigartig. Das habe ich ihr gesagt und ausnahmsweise einmal nicht gelogen. Jemanden wie sie habe ich noch nie kennengelernt. Frannie hat die Hölle nicht verdient, und erst recht nicht das, was König Lucifer mit ihr vorhat.
Ich sehe Frannie nach, als sie davonstürzt. Ich möchte ihr nachlaufen, sie in die Arme schließen und alles wiedergutmachen. Leider ist das ausgeschlossen. Denn ich bin nicht gut für sie. Genau wie meine teuflischen Kollegen. Und deshalb bleibe ich auf meinem Stuhl sitzen und schaue ihr nur hinterher.
Zehn Minuten später sitze ich noch immer da und starre den leeren Türrahmen an. Coach Runyon zieht seine Jacke an, kommt auf mich zu und reibt sich die Bartstoppeln auf seinem Kinn. «Ist noch was?», erkundigt er sich. «In fünf Minuten muss ich beim Baseballtraining sein.»
«Nein.» Ich stehe auf. «Ich habe nur nachgedacht.»
«Den Eindruck konnte man haben.» Runyons braune Augen funkeln vergnügt, und sein rundes Gesicht verzieht sich zu einem verständnisvollen Lächeln, bei dem er ein paar schiefe Zähne enthüllt. Dann nickt er so weise, als wüsste er die Antwort auf jede Frage. Ich wünschte, das könnte ich von mir behaupten, doch mir sitzen Belias, Avaira und Beherit im Nacken, von König Lucifer ganz zu schweigen. Ich habe keine Ahnung, wie es weitergehen soll.
«Haben Sie schon mal Baseball gespielt?», fragt Coach Runyon auf dem Weg über den Flur. «Körperlich wären Sie ideal. Sie sind groß und fit, so jemanden könnten wir gut gebrauchen.»
«Vor Jahren mal», entgegne ich. «Seitdem nicht mehr.» Wie erstarrt bleibe ich stehen. Irgendwo treibt Belias sich herum, ich spüre es genau. Ich hätte es mir denken können. Er lauert auf eine passende Gelegenheit, und ich Vollidiot habe sie ihm selbst geboten. Ich hätte Frannie nachlaufen müssen, wenigstens, um sicherzugehen, dass sie heil nach Hause gelangt. Hölle und Schwefel! Wie konnte ich nur so nachlässig sein?
«Denken Sie
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