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Angela Merkel

Titel: Angela Merkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kurbjuweit
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Schröder herrschte eine strenge Hierarchie. Eigentlich zählten nur drei Kabinettsmitglieder: Schröder, Außenminister Joschka Fischer und Innenminister Otto Schily. Die redeten miteinander, Fischer und Schily vor allem gegeneinander. Besonders die Frauen am Tisch hatten nichts zu melden. Gerade die Frauen, die vom Kabinett Schröder ins Kabinett Merkel gewechselt hatten, zeigten sich bald angetan. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, Justizministerin Brigitte Zypries und Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul waren noch nie so gutvon einem Kanzler behandelt worden, noch nie so oft zu Wort gekommen. Müntefering hat berichtet, die Kanzlerin lasse diskutieren und höre zu. Das Gespräch sei »sehr auf die Sache bezogen. Alle sind bemüht, sich nicht parteipolitisch kleinlich zu positionieren.«
    Das klang gut, aber die Öffentlichkeit erlebte etwas komplett anderes. CDU, CSU und SPD fielen alsbald übereinander her, als stünden sie sich noch als Opposition und Regierung gegenüber. Dass sie sich zur Bruderschaft auf Zeit entschlossen hatten, machte den Streit noch hässlicher. Die Berliner Luft hatte einen grünlichen Schimmer, so viel Gift wurde im Regierungsviertel versprüht. Merkel wollte sich nicht darüber aufregen. Sie erzählte, dass auch in der schwarz-gelben Koalition unter Kohl die Fetzen geflogen seien. Sie war damals erst Jugend-, dann Umweltministerin.
    Allerdings gibt es einen grundsätzlichen Unterschied zwischen einer Kleinen und einer Großen Koalition. Eine Kleine Koalition ist im Prinzip auf Ewigkeit angelegt. Man möchte in der Regel auch die kommende Wahl miteinander überstehen, und nur bei einem schweren Zerwürfnis wird ein Wechsel angestrebt. So war das 1966 und 1982, als die FDP aus Kleinen Koalitionen ausstieg. Eine Große Koalition startet mit dem Anspruch, dass sie überwunden werden muss. Eine so breite Mehrheit gilt schon demokratietheoretisch als nicht ganz geheuer. Und Union und SPD haben über Jahrzehnte ihre Gegnerschaft so kultiviert, dass sie nur miteinander regieren möchten, wenn es gar nicht anders geht. So hat man vom Start wegan der eigenen Abschaffung gearbeitet, erst insgeheim, dann offen.
    Zudem war das Wahlergebnis so knapp, dass sich die SPD mit der Union auf Augenhöhe fühlte. Das heißt auch, dass man sich nicht damit abfinden konnte, dass Merkel Kanzlerin geworden ist. Es wurde dagegen eine eigene Pseudo-Kanzlerschaft gestellt, verkörpert durch den Vizekanzler. Müntefering hat diese Rolle pragmatisch ausgefüllt. Er kam zunächst gut mit Merkel klar, ihm waren Statusfragen nach einem so langen Politikerleben nicht mehr so wichtig, und er wollte den Erfolg dieser Koalition, von der er dachte, dass sie sein letzter politischer Auftrag sein würde. Mit der Achse Merkel-Müntefering funktionierte die Große Koalition noch leidlich gut. Doch im November 2007 trat er zurück, weil er seine todkranke Frau pflegen wollte.
    Sein Nachfolger als Vizekanzler, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, sah seine Rolle ganz anders. Er machte sich Hoffnungen auf die Kanzlerkandidatur der SPD, die er später auch bekam, weshalb mit ihm der Aspekt Pseudo-Kanzlerschaft noch stärker wurde. Es gibt viel Spin-Doktorei in Berlin, jeder Spitzenpolitiker spielt dieses Spiel und hält sich ein, zwei Experten dafür. Niemand hat dies in der Großen Koalition so intensiv betrieben wie das Lager von Steinmeier. Von dort kam eine wahre Flut von Sticheleien gegen Merkel, ständig wurde bis ins Kleinste ausbuchstabiert, wo sie sich hat außenpolitisch korrigieren müssen, wo sie falschgelegen haben soll und wie sie Steinmeier angeblich wieder die Schaugestohlen hat. Es war eine Orgie der Kleinlichkeiten, und Steinmeier war selbst daran beteiligt. Als er im September 2008 mit Merkel beim deutsch-russischen Gipfel in St. Petersburg war, durfte er nicht am Tisch von Präsident Medwedew sitzen, anders als die Bundeskanzlerin. Hinterher kochte Steinmeier. »Da hat sich das Protokoll vom Kanzleramt durchgesetzt«, schnaubte er, »mit welchen Mitteln auch immer.« Nun sind Merkel und ihren Leuten durchaus Nickeligkeiten zuzutrauen, aber so ein Denken in Sitzordnungen ist dann doch sehr kleines Karo. Und Steinmeier war in dieser Situation nun mal Außenminister und nicht Bundeskanzler. Kann sich ja noch ändern. Jedenfalls ist viel Aufgeblasenes in dieser Pseudo-Kanzlerschaft, und diese Rivalität von Außenminister und Kanzlerin hat der deutschen Außenpolitik nicht gutgetan. Es gelang

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