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Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Ee
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etwas Gutes.
    »Ich musste versprechen, etwas für ihn zu tun.« Eine ehrliche Antwort. Eine Warnung.
    Meine Mutter ist stärker, als sie aussieht. Wenn sie den Überraschungseffekt auf ihrer Seite hat, kann sie ernsten Schaden anrichten. Ihr ganzes Leben lang hat sie sich mit Selbstverteidigung beschäftigt – um zu lernen, wie sie sich an einen Angreifer heranschleichen, sich vor dem Etwas, das sie beobachtet, verstecken und dieses Monster dann zurück in die Hölle verbannen kann, bevor es die Seelen ihrer Kinder stiehlt.
    Ich lehne mich an die Toilettentür und gehe im Geiste alle Möglichkeiten durch. Was auch immer sie ihrem Dämon versprochen hat, wird garantiert unangenehm. Und möglicherweise schmerzhaft. Die Frage ist bloß, wem dieser Schmerz zugefügt werden soll.
    »Ich hole mir nur ein paar Sachen, dann verkrieche ich mich ins Eckbüro«, sage ich. »Ich bleibe wahrscheinlich ein paar Tage da drin, aber mach dir keine Sorgen, okay?«
    »Okay.«
    »Ich möchte nicht, dass du in das Büro kommst. Aber verlass auf keinen Fall das Gebäude, ja? In der Küche gibt es Wasser und was zum Essen.« Kurz denke ich daran, ihr zu sagen, dass sie vorsichtig sein soll, aber das ist natürlich lächerlich. Seit Jahrzehnten hütet sie sich vor Menschen und Monstern, die versuchen, sie umzubringen. Und seit den Angriffen hat sie sie endlich gefunden.
    »Penryn?«
    »Ja?«
    »Gib acht, dass du die Sterne trägst.« Sie meint die gelben Sternchen, die sie uns auf die Kleider genäht hat. Wie ich sie nicht tragen soll, ist mir ein Rätsel, schließlich befinden sie sich auf allem, was wir besitzen.
    »Okay, Mom.«
    Trotz des Sternen-Kommentars klingt sie, als sei sie bei klarem Verstand – was wahrscheinlich nicht das Gesündeste ist, wenn man gerade einen Leichnam geschändet hat.
    Ich bin nicht so hilflos wie der Durchschnittsteenager.
    Als Paige zwei Jahre alt war, kamen mein Vater und ich eines Tages nach Hause und fanden sie mit gebrochenen Knochen und verkrüppelt vor. Meine Mutter stand vollkommen schockiert über sie gebeugt. Wir haben nie herausgefunden, was genau passiert ist und wie lange sie dort wie erstarrt vor Paige gestanden hat. Mom weinte und riss sich fast alle Haare aus. Wochenlang sprach sie kein Wort.
    Als sie sich endlich beruhigt hatte, sagte sie als Erstes, ich müsse einen Selbstverteidigungskurs besuchen. Sie wollte, dass ich lerne, wie man kämpft. Sie brachte mich zu einem Kampfsportstudio und bezahlte in bar für die nächsten fünf Jahre Training.
    Sie sprach mit den Lehrern, den Sensei, und fand heraus, dass es verschiedene Kampfsportarten gibt – Taekwondo, die etwas raumgreifendere Art zu kämpfen, Jiu-Jitsu für den persönlicheren Nahkampf, und Eskrima, den Messerkampf. Sie fuhr durch die ganze Stadt, um mich für all das und noch mehr anzumelden. Schießunterricht, Bogenschießen, Überlebenstraining, Sikh-Camps, Selbstverteidigung für Frauen … alles, was ihr einfiel und was sie irgendwie ausfindig machen konnte.
    Als mein Vater ihr ein paar Tage später auf die Schliche kam, hatte sie bereits Tausende Dollar ausgegeben, die wir nicht hatten. Alle Farbe wich aus dem Gesicht meines Dads, der vor lauter Sorge um Paiges Krankenhausrechnungen schon graue Haare bekommen hatte.
    Nach diesem Anfall manischer Aktivität schien meine Mutter sämtliche Anmeldungen vergessen zu haben. Das einzige Mal, dass sie noch danach fragte, war ein paar Jahre später, nachdem ich ihre gesammelten Zeitungsartikel gefunden hatte. Ich hatte ab und an gesehen, wie sie sie ausschnitt, mich aber nie gefragt, wo sie sich jetzt wohl befanden. Sie verwahrte sie in einem altmodischen Fotoalbum, einem rosafarbenen, auf dem »Babys erstes Album« stand. Eines Tages lag es aufgeschlagen auf dem Tisch und lud mich ein, einen Blick hineinzuwerfen.
    Die reißerische Schlagzeile, die sie auf die erste Seite geklebt hatte, lautete: »Killer-Mutter sagt: ›Der Teufel hat mich dazu gebracht.‹«
    Ich blätterte zur nächsten Seite. »Mutter wirft Kleinkinder in eine Bucht und schaut ihnen beim Ertrinken zu.«
    Und die nächste: »Kinderskelett im Garten einer Frau gefunden.«
    Ein anderer Artikel schilderte, wie man ein sechsjähriges Kind einen halben Meter vor seiner Haustür gefunden hatte. Seine Mutter hatte über ein Dutzend Mal auf den Jungen eingestochen und war dann wieder nach oben ins Haus gegangen, um der kleinen Schwester dasselbe anzutun.
    Der Artikel zitierte einen Verwandten, der berichtete, nur ein paar

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