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Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Ee
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Bewusstsein verliere, lockert sich sein Griff. Ich falle auf die Knie, und meine wunde Kehle ringt nach Luft. Der Kopf auf meinem Hals fühlt sich zu schwer an. Alles, was ich tun kann, ist, nicht der Länge nach auf den Boden zu fallen.
    »Penryn Young, öffne sofort die Tür!« Jemand rüttelt am Türknauf. Meine Mutter muss die ganze Zeit nach mir gerufen haben, aber ich habe es nicht richtig mitbekommen.
    Der Engel stöhnt, als hätte er echte Schmerzen. Als er an mir vorbeikriecht, sehe ich, warum. Sein Rücken blutet Flecken in die Verbände, die auf Stichwunden schließen las sen. Ich werfe einen Blick hinter mich an die Wand. Zwei riesige Nägel, an denen das Yosemite-Poster befestigt war, ragen daraus hervor. Blut tropft von ihren Köpfen.
    Nicht nur der Engel ist in schlechter Verfassung. Ich kann kaum Luft holen, ohne mich in einem Hustenanfall zusammenzukrümmen.
    »Penryn? Ist alles okay?« Meine Mom klingt besorgt. Ich kann mir nur annähernd vorstellen, was sich gerade in ihrer Fantasie abspielt.
    »Ja«, krächze ich. »Es ist alles gut.«
    Der Engel kriecht auf die Couch und legt sich mit einem weiteren Stöhnen auf den Bauch. Böse grinse ich ihn an.
    »Du …«, sagt er mit vernichtendem Blick, »du verdienst es nicht, erlöst zu werden.«
    »Als könntest du mich erlösen«, krächze ich. »Und wieso sollte ich überhaupt in den Himmel wollen, wenn er voller Mörder und Kidnapper ist wie du und deine Kumpels?«
    »Wer sagt denn, dass ich in den Himmel gehöre?« Stimmt, das fiese Knurren, das er von sich gibt, erinnert eher an einen Satansbraten als an ein himmlisches Wesen. Doch sein schmerzerfülltes Wimmern stört das teuflische Bild.
    »Penryn? Mit wem sprichst du da?« Die Stimme meiner Mutter klingt nun fast panisch.
    »Nur mit meinem persönlichen Dämon, Mom. Mach dir keine Gedanken. Er ist ein ziemlicher Schwächling.«
    Schwach oder nicht, wir wissen beide, dass er mich hätte töten können, wenn er gewollt hätte. Aber ich tue ihm nicht den Gefallen, ihm meine Angst zu zeigen.
    »Ach so.« Sie klingt plötzlich ganz ruhig, als würde das alles erklären. »Okay. Unterschätze sie nicht. Und mach keine Versprechungen, die du nicht halten kannst.« An ihrer leiser werdenden Stimme kann ich erkennen, dass sie beruhigt ist und weggeht.
    Verblüfft blickt der Engel in Richtung Tür, und ich lache leise in mich hinein. Er mustert mich mit einem »Du-bist-noch-krasser-drauf-als-deine-Mom«-Blick.
    »Hier.« Ich werfe ihm eine Verbandsrolle aus meinem Vorrat zu. »Vielleicht solltest du dir einen Druckverband anlegen.«
    Obwohl er die Augen geschlossen hat, fängt er sie ge schickt auf. »Wie soll ich an meinen Rücken rankommen?«
    »Nicht mein Problem.«
    Mit einem Seufzer öffnet sich seine Hand. Der Verband kullert zu Boden und hinterlässt ein Band auf dem Teppich.
    »Du schläfst doch nicht, oder?«
    Ein gedämpftes »Mmm« ist die einzige Antwort. Sein Atem wird so ruhig und regelmäßig wie der eines Mannes, der in einen tiefen Schlaf gefallen ist.
    Verdammt.
    Da stehe ich nun und blicke ihn an. Seinen gerade erst verheilten Verletzungen nach zu urteilen, ist das eine Art Heilschlaf. Kein Zweifel: Wäre er nicht so furchtbar zugerichtet und erschöpft gewesen, hätte er mir eine gehörige Abreibung verpasst, auch wenn er mich vielleicht nicht getötet hätte. Aber es ärgert mich, dass er offenbar eine so geringe Bedrohung in mir sieht, dass er in meinem Beisein einschläft.
    Das Tape war eine schlechte Idee und hatte auch nur Sinn, als ich dachte, er sei so schwach wie durchgeweichtes Papier. Was habe ich jetzt, da ich es besser weiß, für Optionen?
    Ich wühle im Vorratsraum und in den Schubladen der Büroküche herum und fördere rein gar nichts zutage. Erst als ich eine Sporttasche unter einem Schreibtisch durchsuche, finde ich ein altmodisches Fahrradschloss, in dem ein Schlüssel steckt, eins von der Sorte, die aus schweren, von Plastik umhüllten Ketten bestehen. Althergebrachtes Anketten hat vielleicht doch etwas für sich.
    Im Büro gibt es nichts, woran ich ihn festmachen könnte, also schnappe ich mir einen metallenen Rollwagen neben einem Kopierer. Ich fege die Papierstapel herunter und rolle ihn in das Eckbüro. Von meiner Mutter ist nichts zu sehen. Ich nehme an, sie lässt mich aus solidarischem Entgegenkommen alleine mit meinem »persönlichen Dämon« fertigwerden.
    Ich rolle den Wagen neben den schlafenden Mann … Engel, ich meine natürlich Engel. Ich achte darauf,

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