Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
anderen Kerle nicht gerade meine Freunde sind?«
»Das sind keine ›Kerle‹. Sie sind nicht mal annähernd menschlich. Sie sind nichts als löchrige Säcke voller mu tierter Maden, genau wie du.« Rein äußerlich wirken er und die anderen Engel eher wie leibhaftige Adonisse – so unglaublich perfekt mit ihren gottgleichen Gesichtern und ihrem Charisma. Aber im Inneren sind sie bestimmt voller Maden.
»Löchrige Säcke voller mutierter Maden?« Er hebt eine perfekt geschwungene Augenbraue, als sei ich gerade durch mein mündliches Schimpfwort-Examen gerasselt.
Statt einer Antwort zerschneide ich mit einem grausamen Scherenklappern ein paar seiner Federn. Schneeweiße Daunen segeln sanft auf meine Stiefel hinab. Beim Anblick seines Gesichts empfinde ich jedoch keine Genugtuung, sondern ich merke, wie mich eine Welle des Unbehagens erfasst. Zornig starrt er mich an, und mir fällt ein, dass er es allein gegen fünf seiner Feinde aufgenommen hat und dabei fast gewonnen hätte. Sogar flügellos und mit gefesselten Händen und Füßen kann er einem noch einen ziemlich einschüchternden Blick zuwerfen.
»Versuch das noch einmal, und ich mach Kleinholz aus dir. So schnell kannst du gar nicht gucken!«
»Du hast ne ziemlich große Klappe für jemanden, der wie ein Truthahn zusammengeschnürt ist. Wie willst du denn Kleinholz aus mir machen? Indem du wie eine umgekippte Schildkröte hier rübergeeiert kommst?«
»Dich kleinzukriegen, ist kein Problem. Die Frage ist nur, wann.«
»Ja, klar. Wenn du das könntest, hättest du es schon längst getan.«
»Vielleicht finde ich dich ganz unterhaltsam«, sagt er mit überlegenem Selbstvertrauen, als hätte er alles unter Kontrolle. »So unterhaltsam wie einen ungezogenen Affen mit einer Schere.« Er entspannt sich und stützt sein Kinn auf die Couchlehne.
Eine ärgerliche Hitze steigt mir in die Wangen. »Du glaubst, das hier ist ein Spiel? Meinst du wirklich, wenn es meine Schwester nicht gäbe, wärst du nicht schon tot?« Den letzten Satz habe ich fast geschrien. Voller Bosheit zerschneide ich noch ein paar seiner Federn. Der einst so perfekte Flügel ist jetzt zerrupft und an den Seiten ausgefranst.
Sein Kopf fährt von der Couch hoch. Seine Nackensehnen sind so angespannt, dass ich mich frage, wie schwach er eigentlich wirklich ist. Seine Armmuskeln spannen sich ebenfalls an, und so langsam sorge ich mich um die Stabilität des Tapes an seinen Knöcheln.
»Penryn?« Die Stimme meiner Mutter dringt durch die Tür. »Bist du okay?«
Mein Blick gleitet zur Tür, um zu sehen, ob sie auch wirklich verriegelt ist.
Als ich wieder zur Couch hinüberblicke, ist der Engel verschwunden. Dort, wo er hätte liegen sollen, befinden sich nur noch ein paar Fetzen Klebeband.
Ich spüre einen Atemzug in meinem Nacken, dann wird mir die Schere aus der Hand gerissen.
Überraschend ruhig erwidere ich: »Es geht mir gut, Mom.« In meiner Nähe zu sein, würde sie nur in Gefahr bringen. Und wenn ich ihr sage, dass sie weglaufen soll, rastet sie wahrscheinlich vor lauter Panik aus. Ihre Reaktion ist unvorhersehbar, das ist die einzige Gewissheit.
Von hinten legt sich ein muskulöser Arm um meinen Hals und drückt zu.
Ich packe den Arm und presse mein Kinn fest nach unten, um den Druck von meinem Hals weg zu verlagern. Mir bleiben circa zwanzig Sekunden, um freizukommen, dann werde ich entweder bewusstlos oder meine Luftröhre macht schlapp.
Ich krümme mich so weit wie möglich zusammen, mache dann einen Satz nach hinten und stoße uns beide mit voller Wucht gegen die Wand. Der Aufprall ist heftiger, als er sein würde, wenn der Engel so viel wiegen würde wie ein Mensch.
Ich höre ein »Uff« und das Klappern von Fotorahmen. Ich weiß, die scharfen Kanten in seinen Wunden müssen höllisch schmerzen.
»Was ist das für ein Lärm?«, fragt meine Mutter.
Der Arm um meinen Hals drückt boshaft zu, und ich beschließe, dass der Begriff »Engel der Barmherzigkeit« ein Oxymoron ist. Ich vergeude keine Energie, um gegen das Ersticken anzukämpfen, sondern bereite mich darauf vor, ihn noch einmal gegen die Wand zu stoßen. Ihm so richtig fiese Schmerzen zuzufügen ist das Mindeste, was ich tun kann, bevor er mich abmurkst.
Diesmal ist sein Stöhnen heftiger. Eigentlich würde ich mich darüber freuen, wenn sich mein Kopf nicht so seltsam leicht anfühlen würde.
Noch ein Rums gegen die Wand, und es tanzen dunkle Punkte vor meinen Augen.
In dem Moment, als ich merke, dass ich das
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