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Angelglass (German Edition)

Angelglass (German Edition)

Titel: Angelglass (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Barnett
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Hände hinter seinem mit schwarzem Tuch bedeckten Rücken verschränkt hat und bei unserem Anblick eine Augenbraue hochzieht.
    »Ah, der Spiegel von Prag«, sagt er. Dann nickt er Jakobs Tochter zu. »Und die kleine Hannah. Was gibt es denn?«
    Hannah neigt den Kopf, starrt auf den Teppich und erwidert nichts. Mir wird klar, dass es nun an mir ist, irgendeine Ausrede zu erfinden. »Kammerherr«, sage ich zögernd. »Ich war vorhin beim Kaiser. Ich habe mit Jakob gerade eben seine Abendgarderobe überprüft.«
    Lang runzelt die Stirn. »Ist das etwa jetzt auch Eure Aufgabe? Die Garderobe des Kaisers im Auge zu behalten?«
    »Ich bin … Ich kam zufällig vorbei …«, setze ich an, komme aber nicht weiter. Hilfe suchend blicke ich zu Hannah, die jedoch mit ausdruckslosem Gesicht weiter zu Boden starrt.
    Lang folgt meinem Blick. »Und das habt Ihr also im Quartier des Kammerdieners gefunden, nicht wahr, Meister Poutnik? Eine Küchenmagd, die sich vor ihrer Arbeit drückt? Gut gemacht.«
    Hannahs Augen funkeln wütend, aber sie bleibt still. »Ich … Ich habe mich auf dem Weg zur Gewandkammer verlaufen«, sage ich schnell. »Ich bin, äh, Hannah im zweiten Stock begegnet, und sie hat mir angeboten, mich hierherzuführen.«
    Lang nickt. »Ich verstehe. Und dennoch habt Ihr mir gerade eben gesagt, Ihr wäret zufällig an der Gewandkammer entlanggekommen, oder wo auch immer Euer Weg Euch hinführte. Wie eigenartig, dass man nach dem Weg zu einem Ort fragen muss, an dem man zufälligerweise vorbeizukommen wünscht.«
    »Ich …«
    Lang winkt mit seiner behandschuhten Hand ab. »Bitte, Meister Poutnik. Offenbar seid Ihr irgendwohin unterwegs, und ich möchte Euch nicht von Eurem Anliegen abhalten. Guten Tag.«
    »Kammerherr«, erwidere ich und nicke ihm zu. Lang lächelt sein Schlangenlächeln und wirft einen Blick auf Hannah, bevor er weiter in den Korridor hineingeht.
    »Ihr Narr«, flüstert Jakobs Tochter, als Lang um eine Ecke gebogen ist. »Ihr hättet uns beinahe verraten.«
    »Du warst ja auch nicht gerade von großer Hilfe«, protestiere ich.
    Sie blickt mich mit matten Augen an, die aus ihrem blassen, schlichten Gesicht hervortreten. »Es steht einer Küchenmagd nicht an, mit dem Kammerherrn zu sprechen«, erklärt sie. »Nun, wollen wir jetzt weitergehen, bevor unsere Mission den ganzen Tag in Anspruch nimmt?«
    Erst als wir die großen Tore passiert haben, wird mir klar, dass das Innere des Schlosses bislang alles war, was ich unter Prag verstanden habe; beinahe hätte ich die große, weitläufige Stadt zu seinen Füßen vollkommen vergessen. Ich bin plötzlich ganz gebannt von den Hökern und Händlern, die auf der engen, sich bergab windenden Straße ihre Waren feilbieten; vom Geschrei ihrer Stimmen und dem Gegacker der Hühner; vom Rauch der Holzfeuer, der sich über den Dächern in die Luft kräuselt; vom fernen Klang einer Trommel oder Flöte. Die Straßen sind voller Menschen. In Lumpen gekleidete Bettler und Frauen mit ausdruckslosen Gesichtern stehen schwatzend herum oder gehen ihren Geschäften nach; stolze Edelleute durchqueren mit leichten, unbesorgten Schritten den Dreck; Gruppen von Ziegen und Hunden durchstöbern den stinkenden Unrat. Hannah schiebt sich energisch durch das Gedränge. Für einen Augenblick verliere ich sie und irre durch die brüllende und üble Gerüche ausstoßende Menschenmasse, doch ein paar Schritte vor mir taucht sie plötzlich wieder aus der Anonymität hervor, die sie sich wie einen schützenden Schal umgelegt hat. »Kommt weiter, Meister Poutnik«, sagt sie entnervt. »Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.«
    Ich entschuldige mich und versuche, mit ihr Schritt zu halten. Ein plötzlicher Knall und eine schwarze Qualmwolke schrecken mich auf. Begleitet vom Applaus einiger Zuschauer tritt eine Frau aus dem Qualm hervor, und ein Mann mit einem Turban und einem billigen Seidengewand verbeugt sich tief.
    »Wo ist das Getto?«, frage ich Hannah, nachdem wir uns eine Zeit lang weiter durch die Menge geschoben haben.
    Sie wirft mir einen wütenden Blick zu. »Nicht so laut. Es muss nicht unbedingt jeder hören, dass wir dort hingehen.«
    »Wieso nicht?«
    Sie bleibt stehen, stemmt die Hände in die Hüfte und blickt mich mit schräg gelegtem Kopf an. »Mein Vater hat mir eingeschärft, Euch keine Fragen zu stellen. Es wäre schön, wenn Ihr mir denselben Dienst erwieset.«
    Ich zucke mit den Schultern und folge ihr weiter. Sie biegt aus der Gasse auf einen großen Platz ein, der

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