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Angelglass (German Edition)

Angelglass (German Edition)

Titel: Angelglass (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Barnett
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in menschlicher Gestalt«, stößt er atemlos hervor. »Es soll einen Weg geben, wie man sie zum Leben erwecken kann, aber auch dieses Wissen entzieht sich meinen sogenannten Wissenschaftlern. Was mich an etwas erinnert, Findling. Ich möchte dich mit einer äußerst geheimen Mission betrauen. Komm, setz dich zu mir.«
    Als Rudolf auf einem juwelenbesetzten Stuhl Platz nimmt, setzte ich mich auf den Boden. Er grübelt eine Weile vor sich hin, während ich angesichts des kalten Steins unruhig hin und her rutsche. »Erzähl mir, Findling«, sagt er schließlich, »was weißt du über Doktor John Dee?«
    »Nur das, was ich im Schloss über ihn gehört habe, Exzellenz. Dass er ein Alchemist und Magier ist. Dass er sich durch einen Zauberspiegel mit Engeln unterhält. Dass er der Hofmagier Elisabeths war. Und dass er sich auf dem Weg hierher befindet.«
    »Doktor Dee kommt in der Tat nach Prag. Auf meine Einladung. Viele fürchten ihn, Findling, und doch bin ich von seiner Arbeit fasziniert und erhoffe mir viel von seiner Anwesenheit am Hof. Er ist ein gelehrter Mann, und mich beschäftigen einige Dinge, die ich gerne mit ihm als Gleichgesinnten erörtern möchte. Es heißt, Doktor Dee habe große Kenntnis von der Kabbala, dem esoterischen Wissen der Juden. Und dieses Wissen hätte ich auch gerne, mein Spiegel von Prag.«
    Rudolf hält inne. »Und Ihr würdet es gerne sehen«, erwidere ich, »wenn ich dieses Wissen für Euch beschaffen würde, Exzellenz?«
    »Ich sähe es gern, wenn du mir bei der Beschaffung dieses Wissens hilfst«, sagt Rudolf lachend. »Ich kann ja kaum erwarten, dass du die Kabbala verstehst und sie mir dann erklärst!«
    »Was wird also meine Aufgabe sein, Exzellenz?«
    Rudolf beugt sich dicht zu mir. »Eine geheime Mission im Getto«, flüstert er. »Ein Besuch bei Rabbi Jehuda Löw ben Bezalel. Aber geheim, Findling! Es muss geheim bleiben! Ich möchte auf keinen Fall, dass Kammerherr Lang oder irgendjemand sonst am Hof erfährt, dass ich mit den Hebräern Umgang pflege. Man würde es als ein Zeichen von Schwäche deuten, und ich muss stark sein in diesen Zeiten, in denen so viele Dinge meinen Thron bedrohen. Finde Löw und bitte ihn, mich hier im Schloss aufzusuchen, morgen bei Anbruch der Nacht.«
    Das Getto. Mein einziges Wissen über das Getto speist sich aus dem flüchtigen Blick, den ich in Langs Anwesenheit vom Turm auf es geworfen habe. Und nun soll ich es also in geheimer Mission aufsuchen und diesen Rabbi finden. Ich, der abgesehen von dem kurzen Ritt mit Sir Anthony und seiner Truppe keinerlei Erinnerung an die Welt außerhalb dieser Schlossmauern hat, muss mich nun völlig allein und ohne Hilfe in die Schatten dieser großen Stadt schleichen.
    Draußen, im Gang vor dem großen Saal, grüble ich über meine Mission nach. Ich könnte einen der unbeweglich dastehenden und mit Lanze und Degen bewaffneten Torwächter fragen, doch Rudolf hat mich zur Geheimhaltung verpflichtet. Ich gehe durch den von Fackeln beleuchteten Gang, spüre das ausgestreute Stroh unter meinen Füßen rascheln, und überlege, ob ich mir nicht vielleicht den Kammerherrn zum Feind mache, wenn ich die Befehle des Kaisers ausführe.
    Ein Stückchen vor mir nehme ich eine rasche Bewegung wahr und höre das Klingen von Schellen. Stirnrunzelnd spähe ich in die Dunkelheit, kann aber nichts erkennen. Als ich weitergehe, erklingen die Schellen noch einmal und hallen von den steinernen Wänden wider. Langsam bewege ich mich vorwärts und fahre erschrocken zusammen, als sich ein paar Meter vor mir plötzlich ein Wandteppich bewegt. Ich laufe darauf zu und reiße den mit einem Wappen verzierten Stoff zur Seite, doch darunter ist nur grauer Stein.
    Die Schellen läuten erneut, erst fern und blechern, dann dicht neben meinem Ohr. Ein helles Lachen erklingt, das sich aber gleich wieder in der dünnen, schwarzen Luft verliert. Plötzlich erkenne ich etwas. Es ist Jeppe, Rudolfs zwergenhafter Narr. Wieder ertönt ein Geräusch; ich fahre herum und sehe an einer Abzweigung des Korridors eine Gestalt, die sich Rad schlagend durch das spärliche Licht der Fackeln bewegt. Dann ist es still, und Jeppes Dummheiten haben offenbar ein Ende gefunden. Vorläufig.
    »Jakob! Jakob, bist du hier?« Ich hämmere noch einmal laut an die Tür des kaiserlichen Kammerdieners, bis sie schließlich von dem erstaunten Jakob geöffnet wird.
    »Meister Poutnik!«, sagt er. »Gibt es ein Problem? Seine Exzellenz wünscht doch nicht etwa wieder neue Kleider,

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