Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition)
haben wir gefroren!
Das Thema Auto war für uns existenziell wichtig. Schon um einen Führerschein zu bekommen, brauchte man gute Beziehungen. Wenn man nicht am Tag seiner Geburt für einen Trabant angemeldet war, sah die Zukunft trüb aus. Ich hatte Glück. Franz Bartzsch vermittelte mir einen Fahrlehrer, der mir das Fahren zwischen seinen anderen Terminen beibrachte – natürlich musste man dafür etwas mehr Geld auf den Tisch legen. Später fand ich auch meinen ersten Trabi. Der war postgelb und kostete sagenhafte 13.000 Mark der DDR. So viel Geld hatte ich natürlich nicht auf der hohen Kante, aber eine gute Freundin half mir aus und ich konnte ihn abbezahlen.
Meine Mutter, bei der ich damals noch wohnte, hatte von alledem keine Ahnung. Eines späten Abends kam ich mit dem „neuen“ Wagen nach Hause und zerrte meine Mama, die schon im Nachthemd war, auf die Straße. Da stand es – mein Auto! Mama war mein erster Fahrgast, und wir haben gleich eine Ehrenrunde durch Berlin-Buch gedreht. Wir rappelten fröhlich übers Kopfsteinpflaster und Mama war total begeistert. Auch ich war glücklich über meine Rennpappe, selbst als ich die kleinen Konstruktionsfehler feststellte: Verwundert erkannte ich, dass der Zündschlüssel genau auf meine Kniescheibe zielte. Das hätte bei einem Unfall schmerzhaft werden können. Auch das Umschalten auf die Benzinreserve war nicht ganz ungefährlich, wenn man nicht sehr lange Arme hatte.
Ich hatte über die Jahre noch einige Autos, aber der Trabi war das originellste von allen.
■ Obelisk
Zurück zur Musik. Die Tour mit der Geff-Harrison-Band war leider irgendwann vorbei und ich lebte von „Muggen“. Ich weiß, es wurde in allen Musiker-Biografien über dieses Wort „Mugge“ geschrieben – trotzdem will ich es an dieser Stelle noch einmal erklären. Wikipedia schreibt „Als Mugge […] wird im Jargon der Musiker ein Auftritt bezeichnet, der nicht aus künstlerischen, sondern aus finanziellen Gründen wahrgenommen wird. Dies gilt insbesondere für die Umrahmung von privaten oder öffentlichen Feierlichkeiten.“
Der Begriff hatte sich so eingebürgert, dass wir jegliche künstlerische Arbeit so bezeichneten. Heute heißt es „Gala“ oder „Gig“.
Ich „muggte“ also beispielsweise mit der damals sehr bekannten Wolfgang-Stielow-Band und sammelte auch bei sogenannten „bunten Veranstaltungen“ wichtige Erfahrungen.
Eines Nachts, so gegen zwei Uhr rief mich Lacky an. Telefonate um diese Zeit waren normal für uns, dafür erreichte man uns tagsüber etwas später als den Rest der Welt. Er kam gerade von der „Werkstattwoche für Jugendtanzmusik“ aus Suhl und hatte dort die Band Obelisk aus Leipzig gehört, mit einem unglaublich talentierten Saxofonisten. Lacky war wie elektrisiert und hatte sofort beschlossen: Das ist die Band für die Lütte!
Ein paar Tage später begegnete ich in Lackys Studio zum ersten Mal Andreas. Ein charmanter Lockenkopf linste um die Ecke und ich hatte nicht den geringstenZweifel – der würde in meinem musikalischen Leben eine wichtige Rolle spielen.
Andreas Bicking hatte zu diesem Zeitpunkt schon eine beachtliche Laufbahn genommen. Sein Vater, Siegfried Bicking, war Trompeter und Bandleader des „Hansa Schauorchesters Rostock“. Er hatte seinen Sohn bereits in jungen Jahren zur Musik gebracht. Andreas wurde schon als Teenie zum Leipziger Tanzorchester „Walter Eichenberg“ geholt um bei Jazzstandards die Soli zu spielen. Er spielte Klarinette, Querflöte und Saxofon und war außerdem ein exzellenter Pianist. Und – für mich besonders wichtig – er konnte schon damals souverän eine Band leiten und hatte auch kompositorisches Talent.
Zu diesem Zeitpunkt war ich 29 Jahre alt – das war in seinen 19-jährigen Augen wahrscheinlich ein biblisches Alter. Trotzdem hat er sich auf mich eingelassen. Ich erinnere mich, dass er in einem Interview auf die Frage, wie es denn sei, mit mir zu arbeiten, antwortete: „Die Lütte ist ’ne richtige Sängerin, die singt immer, egal, was passiert. Absagen gibt’s nicht.“
Andreas übernahm also den Job des Bandleaders von Obelisk und den meines Komponisten. Ein kompliziertes Unterfangen. Er selbst und einige andere Musiker der Band studierten an der Leipziger Musikhochschule und hatten dort natürlich ihre Verpflichtungen. Das war schwer zu vereinbaren mit den notwenigen Proben in Berlin. Mithilfe des „Komitees für Unterhaltungskunst“ und dem wirklich unglaublichen Engagement von
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