Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition)
Rundfunkstudio in der Nalepastraße aufgenommen habe. Ich habe mein Leben erzählt, das brauchte keine Korrekturen.
Überreichung der Goldmedaille vom Stellvertretenden Kulturminister Siegfried Wagner, Interpretenwettbewerb, 1982
Was treibt mich nur
Oft hab ich mir schon ’nen Kopf gemacht
warum wurde ich bloß, was ich bin?
Nur, weil es mir Spaß und Freunde macht?
Nein, das haut oft nicht hin.
Dann sag ich mir: Mensch, lass es doch sein,
du siehst, Mädel, es bringt nichts ein.
Viel weiter wirst Du es nicht mehr bringen.
Was treibt mich nur, immer wieder zu singen?
Musik war mein Lieblingsfach in der Schule,
ich hatte Glück, mein Lehrer war gut.
Und Noten konnte ich viel früher als lesen,
denn Musik lag mir schon immer im Blut.
Ich kannte die Sänger der ganzen Welt
und auch die Texte der Lieder.
Und ich kaufte nur Platten vom Taschengeld
und spielte sie wieder und wieder.
Und sang mit dazu und fand meins viel schöner.
Naja, da war ick doch noch viel kleener.
Ich wollte es glatt bis zum Weltstar bringen.
Was treibt mich nur, immer wieder zu singen?
Meinen Eltern ging das schon lang auf die Nerven,
die hielten das für romantischen Dunst.
„Du musst dich bald auf was Nützliches werfen,
die Musik ist ’ne brotlose Kunst“
Heut denk ich manchmal, wie recht hatten die,
doch damals sah ich das nicht ein.
Ich hab mich gefügt und ich lernte Pharmazie
und kam in ’ne Apotheke rein.
Da mischte ich Salben und drehte Pillen
und sang die ersten Hits von Bob Dylan.
Ich brachte Regale voll Gläser zum springen.
Was treibt mich nur, immer wieder zu singen?
Nach Feierabend rannte ich zu jeder Band,
meistens zum Saalbau Friedrichshain.
Und bei „Hey Jude“, da hab ich geflennt,
so schön, dachte ich, das kann doch nicht sein.
Und einmal, da fiel ’ne Sängerin aus,
da ging ich frech auf die Bühne rauf.
„Ich helf euch aus der Klemme raus,
die Titel, die hab ich doch drauf.“
Bobby McGee in F, viere vor,
dann legten die los und ich sang und sang.
Die Band spielte herrlich, mir wollt’s nicht gelingen.
Was treibt mich nur, immer wieder zu singen?
Der Reinfall hat mich nicht umgehauen,
der Apotheke sagte ich ade.
Und ging mit zitterndem Selbstvertraun
im Backgroundchor auf Tournee.
Als zweite Stimme zwischen Uschi und Bine
sangen wir Blood, Sweat & Tears.
Ich stand mit der schärfsten Band auf der Bühne,
ich sang um mein Leben, ich schwör‘s.
Doch dann kam Lacky und drängelte mich
„steig bei mir ein, ich schreibe für dich.
Der Sprung zur Solistin, der wird dir gelingen“.
Was treibt mich nur, immer wieder zu singen?
Dann stieg Lacky aus und gab mir die Band
und griente und sprach „Meene Kleene,
jetzt kommt für dich der große Moment,
nun versuch mal dein Glück janz alleene“.
Da ist mir das Herz in die Höschen gerutscht
und unter mir schwankte der Grund,
dann hab ich mich selber aufgeputscht und sagte nur
„Na und“.
Nach ein paar Wochen stand mein Konzert,
nun frag ich mich heut‘ „wem bin ich was wert?
Kannst‘e den Leuten wirklich was bringen?“
Was treibt mich nur, immer wieder zu singen?
Keinen Mann, kein Kind, aber ’n Haufen Verdruss,
ich leb aus dem Koffer, schon manches Jahr.
Kann sein, dass ich mich noch gedulden muss
und der große Durchbruch ist da.
Doch sag ich’s ehrlich, es gibt auch Momente,
wo ich vor Freude heulen könnte.
Wenn mir so’n Konzert ganz dufte gelingt
oder die Post ’n paar Briefe bringt
und jemand mir schreibt „Dies Lied ist ganz schau,
du hast gesagt, was man durchmacht, als Frau“,
dann könnte ich bis an die Decke springen.
Das treibt mich dann, immer wieder zu singen.
Die Sommerzeit verbrachten wir mit Obelisk oft an der Ostsee. Andreas Eltern lebten auf der Insel Rügen, und dort war unsere Ausgangsbasis für unsere Ostseetour über sechs Wochen. Meine Musikanten wohnten im Zeltlager, Andreas natürlich bei seinen Eltern und ich wurde bei einer netten Familie in Sellin untergebracht: Vater, Mutter und zwei halbwüchsige Kinder, ein Mädchen und ein Junge. Ihr wichtigster Satz bei meinem Einzug war: „Frau Mann, wir trinken nicht“. Ich habe nicht schlecht gestaunt, als am selben Abend die gesamte Familie ziemlich bedröhnt an meinem Bett saß. Ein Onkel war gestorben und wurde auf feucht-fröhliche Weise betrauert.
Eines Morgens schaue ich dort aus dem Fenster und freue mich, meinen vertrauten Wartburg zu sehen. Nur hatte er sich irgendwie verändert, hatte weder
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