Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition)
Mompesina aus Südamerika. Toto war eine kolumbianische Sängerin, deren Musiker allesamt aussahen wie heiße Latino-Lover. Einer dieser Jungs verknallte sich in mich, und ich war auch nicht abgeneigt. Allerdings war das ein richtiger Macho, er konnte es überhaupt nicht vertragen, wenn ich mal einen meiner Kollegen umarmte. Das ging mir ganz schnell auf den Keks. Als wir drei Tage frei hatten, blieb Toto mit ihren Musikern in Magdeburg. Ich fuhr nach Berlin, und plötzlich meldete sich der nette Musiker der Geff-Harrison-Band . Wir trafen uns und um mich war es geschehen. Da die Band auf Tour in der DDR war, konnte er bei mir übernachten. Leider hatte ich nicht an meinen kleinen Macho aus Südamerika gedacht. Der muss wohl was geahnt haben, jedenfalls ist er in Magdeburg in einen Zug nach Berlin gestiegen und stand nachts um drei vor meiner Wohnungstür. Eine unangenehme Situation. Wir blieben mucksmäuschenstill und irgendwann zog er endlich ab. Für den Rest der Tournee habe ich mich dann sehr bedeckt gehalten. Ich war in meinen Engländer verliebt. Er scheinbar auch in mich, denn wenn er nicht da war, bekam ich die schönsten Liebesbriefe. Die habe allerdings nicht nur ich gelesen. Kopien davon fand ich später in meiner Stasi-Akte.
■ Fahrkarte in den Westen
Während der Pressefesttournee passierte auch etwas sehr Ungewöhnliches. Ich kam ins Hotel Warnow in Rostock, dort lag an der Rezeption eine Nachricht für mich, ich sollte schnellstens im Komitee für Unterhaltungskunst anrufen. Das tat ich sofort, woraufhin die mich tatsächlich fragten, ob ich Lust hätte, nach Westberlin zu fahren und ein Konzert anzusehen. Ich war völlig platt. Da die Kollegen von der Stasi immer und überall zugegen waren, konnte denen nicht entgangen sein, dass ich eine sehr enge Beziehung zu einem Musiker aus dem nichtsozialistischen Ausland pflegte. Bis heute glaube ich, dass die gehofft haben, dass ich dann gleich bei Mama im Westen bleibe. Aber an so was habe ich nicht im Traum gedacht. Natürlich wollte ich fahren und konnte das Ganze bis zuletzt kaum fassen.
Am 11. August 1978, auf den Tag genau 17 Jahre, nachdem ich zum letzten Mal in Westberlin war, ging es rüber. Vorher musste ich mich früh um acht Uhr beim Komitee für Unterhaltungskunst melden. Dort hat man uns eingewiesen und uns Verhaltensmaßregeln mitgegeben. Mit mir fuhren noch die Jazz-Sängerin Ruth Hohmann und ein Musiker aus Dresden. Und Vroni Fischer. Vroni und ich hatten uns vorgenommen in Westberlin zusammenzubleiben. Wir konnten die Reise kaum erwarten. Allerdings musste der Musiker aus Dresden sich noch frisch machen. Das dauerte bestimmt eine dreiviertel Stunde. Wir saßen wie auf Kohlen. Der Westen wartete,da muss man sich doch vorher nicht noch ausgiebig waschen. Der hatte vielleicht Nerven.
Endlich ging es los. Wir fuhren über den Grenzübergang Invalidenstraße, dort erwartete uns schon mein Bruder Ecki. Zuerst ging es zu meiner Mama. Die wohnte in einem Schwesternhaus des Jüdischen Krankenhauses in der Osloer Straße. Von dort aus hatte man einen herrlichen Blick über ganz Westberlin. Na, und dann sind Vroni und die Lütte losgezogen. War das toll! Wir hatten schönes Wetter und auf einmal machte sich ein ganz anderes Lebensgefühl in uns breit. Vom Konzert, das wir uns eigentlich ansehen sollten, haben wir nicht viel mitbekommen. Wir haben uns nur kurz blicken lassen, damit die Aufseher vom Komitee nicht nervös wurden, haben uns dann aber gleich wieder aus dem Staub gemacht. Später sind wir brav wieder zurück in den Osten gefahren. Wir hatten ja noch viel vor.
Die nächste Reise nach Westberlin ließ nicht lange auf sich warten. Diesmal gab Ray Charles ein Konzert in der Philharmonie. Lacky und Uschi Brüning hatten ebenfalls die Reisegenehmigung bekommen und ich durfte diesmal sogar mit meinem Wartburg fahren. Zuerst ging es zu Nina Hagen. Das war ein Gegacker und Gejohle. Das Trio Infernal war endlich wieder zusammen. Nina arbeitete zu dem Zeitpunkt schon mit der Band Lokomotive Kreuzberg , ihre schwindelerregende Weltkarriere begann gerade. Sie hatte viel zu erzählen und wir drei blödelten herum, als wären wir nie getrennt gewesen. Am Abend ging es dann in die Philharmonie. Ich saß zwischen Uschi und Lacky, und als Ray Charles mit drei fantastischen Soulsängerinnen loslegte, heulte ich wie ein Schlosshund. So war das schon immer. Wenn ich tolle Musik höre, ein schönes Bild oder einen schönen Film sehe, muss ich weinen. Es
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