Angelika Mann - Was treibt mich nur?: Autobiografie (German Edition)
Frankfurt lebten wir alle zusammen in einem Haus mit Theaterwohnungen und hatten nun auch nach den Vorstellungen Zeit, noch ein Bierchen zu genießen. Auf einem solchen Gastspiel, mit längerem Verbleib an einem Ort, fühlt man sich verglichen mit einer Tournee fast wie zu Hause. Nicht jeden Abend muss der Koffer nach der Vorstellung gepackt werden, damit man morgens pünktlich im Tourneebus sitzt.
Bevor es nach diesem Gastspiel auf große Deutschlandtournee ging, lud mich Dirk Zöllner zu einem Auftritt ins „Café Größenwahn“ ein. Dirk veranstaltet unter diesem Titel alle drei Monate eine Musik-Talk-Show, die auch fürs Fernsehen aufgezeichnet wird.
Bereits zu DDR-Zeiten habe ich Dirk für sein unglaubliches Engagement und seine künstlerische Konsequenz bei seinen Auftritten bewundert. Die Nachfrage nach Rockkonzerten war nicht mehr so groß und die Veranstalter stellten sich auch lieber einen DJ – zu DDR-Zeiten nannte man die staatlicherseits „Schallplattenunterhalter“ – hin, als eine Band, die mehr Geld kostete und die natürlich einen wesentlich größeren organisatorischen Aufwand erforderte. Dieser Trend führte übrigens dazu,dass auch viele Musiker anfingen, den „Alleinunterhalter“ zu spielen. Nicht so Dirk Zöllner. Er spielte groß mit einer kompletten Funk-Band auf und verpflichtete vier Musiker für die Rhythmusgruppe und dazu mindestens vier Bläser.
Diesen Idealismus hat er sich bis heute bewahrt, und so steht auch im „Café Größenwahn“ eine Riesenband mit Saxophon und Trompete, Posaune und Backgroundsängern auf der Bühne. Ein Traum!
Traumhaft war auch mein Auftritt dort mit meiner Rike. Wir sangen gemeinsam das „Küsschenlied“ aus dem Traumzauberbaum. Es bewegte mich sehr, wie ein Saal voller gestandener Rockfans nachts um halb zwölf das Lied von vorn bis hinten mitsang.
Ulrike singt im „Café Größenwahn“, 2012
2012 ging es auch auf unsere bisher längste Tournee – zehn Wochen lang kreuz und quer durch Deutschland, nach Luxemburg und nach Österreich. Der krönende Abschluss fand in Leipzig statt. Ich war ganz schön aufgeregt. Würde man das Stück in Sachsen ebenso gut annehmen wie in Bayern oder in der Pfalz? Die Aufregung war umsonst, die „Musikalische Komödie“ in Leipzig war jeden Abend gerammelt voll, und ich war glücklich.
Ein anderer Auftritt im Osten des Landes in Güstrow war leider nicht so erfreulich. Schon ein Blick ins Internet ließ mich nichts Gutes ahnen. Kaum eine Notiz von unserem Gastspiel. Die Vorstellung an einem Sonntag sollte um sechzehn Uhr beginnen. Für unsere Techniker bedeutete das um sieben Uhr Aufbau. Die Techniker, die über Nacht durchgefahren waren, standen in aller Frühe mit dem Truck vor dem Theater. Sonst leider niemand. Es war kein Ansprechpartner zu erreichen, auch nicht die Intendantin, kein Café war auf. Gegen zehn Uhr erschien endlich der zuständige Theatertechniker. Eigentlich hätte die Vorstellung ausfallen müssen, aber unsere Jungs sind wahre Enthusiasten, und sie haben es tatsächlich geschafft, pünktlich fertig zu werden. Als wir dann hörten, wie viele Leute im Saal sitzen, sind wir fast vom Glauben abgefallen. 56 Zuschauer – davon war der größte Teil mit einem Bus aus Hamburg angereist, neben ein paar Berlinern. Ein Mitarbeiter vom Haus zuckte nur mit den Schultern, „da müsst Ihr eben mal vor 56 Leuten spielen“. Da spielen wir seit März 2010 in Deutschland, Luxemburg und Österreich immer vor vollem, meist ausverkauftem Haus und in Güstrow bleibt der Saal fast leer? Ich kann dazu nur sagen, wer nicht wirbt, der stirbt. Und die Werbung für unseren Abend hatte das Theater versäumt. Das Unterhaltungsangebot ist groß, da muss man dem Publikum das eigene Programmschon schmackhaft machen, muss sich abheben von anderem. Ein gemütliches Theater, in dem die Leute sich wohlfühlen, wohin sie gerne gehen, weil sie wissen, dass es dort gute Unterhaltung gibt und sie vielleicht nette gleichgesinnte Menschen treffen, hat da gute Karten. Natürlich braucht man ein Stammpublikum, das jeden Monat einen Spielplan im Briefkasten und das Gefühl hat, gerne gesehen zu sein. Und man sollte auch die Künstler, die in dieses Haus kommen, gut behandeln und den Kontakt zu ihnen pflegen. Das fängt bei ordentlichen Garderoben an.
Nach vielen Auftritten in ganz Deutschland spielten wir „Heisse Zeiten“ nun auch in Berlin. Schuld daran trug Dieter Hallervorden, der sich uns in Hannover angesehen hatte.
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