Angelique Der Gefangene von Notre Dame
Parlaments eingesetzt wird. Dieser Masseneau ist doch selbst ein Parlamentsrat, das könnte vielleicht ein Anzeichen dafür sein.«
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Mademoiselle de Montpensier verzog das Gesicht zu einer missmutigen Grimasse, die sie nicht gerade schöner machte.
»Ach, wisst Ihr, meine Kleine, ich bin recht bewandert in den Kniffen der Rechtsverdreher, und ich kenne diese Juristen. Glaubt mir, ein aus Parlamentsräten zusammengesetztes Gericht würde Eurem Gemahl nichts nutzen, denn fast alle Mitglieder des Parlaments sind dem jetzigen Oberintendanten der Finanzen, Fouquet, verpflichtet. Sie würden jede seiner Anweisungen befolgen, umso mehr, als er früher selbst Vorsitzender des Parlaments war.«
Angélique erschauerte. Fouquet! So lugte selbst hier das spitze Ohr des gefährlichen Eichhörnchens hervor.
»Wie kommt Ihr auf Monsieur Fouquet?«, fragte Angélique mit unsicherer Stimme. »Ich schwöre Euch, dass mein Gemahl nichts getan hat, was ihm seinen Hass eingetragen haben könnte. Er kennt ihn ja nicht einmal persönlich!«
Immer noch nickte Mademoiselle.
»Ich selbst habe keinen Spion in Fouquets Umgebung. Das ist auch nicht meine Art, selbst wenn er sich solcher Methoden bedient. Genau wie mein verstorbener Vater, der immer beteuerte, dass man sich in diesem Land nur mit einem ganzen Schwarm von Spionen und Zuträgern sicher fühlen könne«, erklärte sie. »Ich habe also keinen Vertrauten im Gefolge des Oberintendanten, was ich für Euren Gemahl bedaure. Aber der Bruder des Königs steht ebenfalls im Sold von Monsieur Fouquet, zumindest vermute ich das. Und er hat angedeutet, dass Ihr und Euer Gemahl etwas über Fouquet wisst.«
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Angélique spürte, wie ihr Herz einen Schlag aussetzte. Sollte sie sich ihrer groÃen Beschützerin anvertrauen? Sie war schon versucht, ihr alles zu erzählen, als ihr gerade noch rechtzeitig einfiel, wie ungeschickt und redselig die Prinzessin war. Es war also besser, abzuwarten und Desgrez um Rat zu bitten.
Die junge Frau seufzte.
»Was könnte ich schon über diesen mächtigen Mann wissen, dem ich noch nie begegnet bin?«, sagte sie mit abgewandtem Blick. »Natürlich erinnere ich mich daran, dass in meiner Kindheit im Poitou von einer angeblichen Adelsverschwörung die Rede war, in die Monsieur Fouquet, der Prinz von Condé und weitere hochgestellte Persönlichkeiten verwickelt gewesen sein sollten. Das war kurz vor Beginn der Fronde.«
Das waren bereits recht gewagte Worte in Gegenwart der Grande Mademoiselle. Aber diese sah keine böse Absicht darin und bestätigte, dass auch ihr Vater sein ganzes Leben damit verbracht habe, Komplotte zu schmieden.
»Das war sein schlimmstes Laster. Abgesehen davon war er viel zu gutmütig und weich, um die Geschicke des Königreichs in die Hand zu nehmen. Er hatte sich zu einem wahren Künstler auf dem Gebiet der Verschwörung entwickelt. Vielleicht gehörte er sogar zu dem Kreis um Fouquet, dessen Name damals noch weitgehend unbekannt war. Aber mein Vater war reich, und Fouquet stand noch ganz am Anfang. Niemand wird je behaupten können, mein Vater habe konspiriert, um sich zu bereichern.«
»Während mein Mann reich geworden ist, ohne sich je an Verschwörungen zu beteiligen«, entgegnete Angélique mit einem blassen Lächeln. »Vielleicht ist es gerade das, was ihn verdächtig erscheinen lässt.«
Mademoiselle gab zu, dass das durchaus möglich war. Sie fügte hinzu, dass jeder Mangel an höfischer Liebedienerei in den Augen des Hofes als schwerer Makel galt. Aber das rechtfertigte immer noch nicht den vom König unterzeichneten geheimen Verhaftungsbefehl.
»Euer Gemahl muss irgendetwas wissen, was er nicht wissen sollte«, erklärte sie mit Nachdruck. »Wie dem auch sei, jetzt kann nur noch der König helfen. Aber er ist nicht leicht zu manipulieren. Mazarin hat ihn in der Kunst der florentinischen und venezianischen Diplomatie unterwiesen. Er kann lächeln, hat vielleicht sogar eine Träne im Augenwinkel, denn er ist ein weichherziger Mensch... und gleichzeitig hält er den Dolch bereit, um einen Freund hinzurichten.«
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Als sie sah, wie Angélique erbleichte, legte sie einen Arm um ihre Schultern.
»Ich scherze nur, wie immer«, sagte sie betont munter. »Ihr dürft mich nicht ernst nehmen. Niemand nimmt mich mehr ernst in diesem Königreich.
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