Angelique Der Gefangene von Notre Dame
loderte der Zorn. Am liebsten hätte sie ihm all die scharfen Erwiderungen an den Kopf geworfen, die ihr auf der Zunge brannten. Etwa: »Berichten Eure Spione Euch auch jeden Morgen, wie oft die Adligen des Königreichs in der Nacht miteinander geschlafen haben?«
Nur mit Mühe gelang es ihr, sich zu beherrschen, und sie senkte den Kopf aus Angst, ihre Gefühle könnten sich auf ihrem Gesicht abzeichnen.
»Ihr habt meine Frage nicht beantwortet, Madame«, sagte der König in eisigem Ton.
Angélique strich sich mit der Hand über die Stirn.
»Warum ich angefangen habe, diesen Mann zu lieben?«, entgegnete sie leise. »Zweifellos weil er all die Qualitäten besaÃ, die dazu führen, dass eine Frau glücklich ist, die Sklavin eines solchen Mannes zu sein.«
»Dann gebt Ihr also zu, dass Euer Gemahl Euch behext hat?«
»Ich habe fünf Jahre an seiner Seite gelebt, Sire. Und ich bin bereit, auf die Bibel zu schwören, dass er weder ein Hexenmeister noch ein Zauberer ist.«
»Ihr wisst, dass man ihn der Hexerei anklagt?«
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Sie nickte schweigend.
»Dabei geht es nicht bloà um den seltsamen Einfluss, den er auf Frauen ausübt, sondern auch um die dunkle Herkunft seines gewaltigen Vermögens. Angeblich soll der Teufel ihm das Geheimnis der Transmutation unedler Metalle zu Gold verraten haben.«
»Dann soll man meinen Gemahl vor Gericht stellen, Sire, und er wird mühelos beweisen können, dass er ein Opfer verblendeter Alchemisten geworden ist, deren überholte mittelalterliche Traditionen in unserer Zeit mehr schaden als nutzen.«
Der König entspannte sich ein wenig.
»Ihr müsst zugeben, Madame, dass weder Ihr noch ich viel von Alchemie verstehen. Dennoch will ich Euch gestehen, dass die Erläuterungen, die ich zu den teuflischen Praktiken von Monsieur de Peyrac erhalten habe, recht unbestimmt waren und der weiteren Präzisierung bedürfen.«
Angélique unterdrückte einen Seufzer der Erleichterung.
»Ich bin so glücklich, Sire, von Euch ein so mildes, verständnisvolles Urteil zu hören!«
Der König lächelte schmallippig.
»Lasst uns nicht vorgreifen. Ich habe lediglich gesagt, dass ich weitere Einzelheiten über diese Transmutationsgeschichte verlange.«
»Aber das ist es ja gerade, Sire, es hat niemals eine Transmutation gegeben . Mein Gemahl hat lediglich ein Verfahren entwickelt, durch welches das in sehr geringen Mengen in gewissem Gestein enthaltene Gold mit Hilfe von geschmolzenem Blei herausgelöst werden kann. Durch die Anwendung dieses Verfahrens ist er zu seinem Reichtum gelangt.«
»Wenn es sich dabei tatsächlich um ein ehrliches und lauteres Verfahren gehandelt hätte, wäre es doch eigentlich selbstverständlich gewesen, dass er dessen weitere Anwendung in den Dienst seines Königs stellte. Er jedoch hat niemandem auch nur ein Wort davon verraten.«
»Ich selbst war Zeugin, Sire, wie er dieses Verfahren in Gegenwart einiger Herren, darunter auch des Abgesandten des Erzbischofs von Toulouse, in seiner Gänze vorgeführt hat. Aber dieses Verfahren eignet sich lediglich für bestimmte Gesteinsarten, die man die unsichtbaren Goldadern der Pyrenäen nennt. Und man benötigt ausländische Spezialisten, um es anzuwenden. Es ist keine magische Formel, die er einfach weitergeben könnte, sondern eine eigene Wissenschaft, die weitergehende Untersuchungen vor Ort und gewaltige finanzielle Mittel erfordert.«
»Er hat es zweifellos vorgezogen, dieses Verfahren, das ihn nicht nur reich machte, sondern ihm darüber hinaus auch einen Vorwand lieferte, Spanier, Deutsche, Engländer und Häretiker aus der Schweiz in seinem Palast zu empfangen, allein zu seinem eigenen Vorteil zu nutzen. So konnte er in aller Ruhe eine Rebellion im Languedoc vorbereiten.«
»Mein Gemahl war niemals an einer Verschwörung gegen Eure Majestät beteiligt.«
»Dennoch war er von einer Arroganz und Unabhängigkeit, die höchst verräterisch erscheinen. Ihr müsst zugeben, Madame, dass ein Adliger, der nichts vom König verlangt, sehr ungewöhnlich ist. Aber wenn er sich darüber hinaus noch rühmt, seinen Herrscher überhaupt nicht zu brauchen, dann überschreitet das jedes MaÃ.«
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Angélique spürte, wie ein Fieberschauer sie durchlief. Sie antwortete bewusst demütig, gab zu, dass Joffrey ein Sonderling
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