Angélique - Die junge Marquise - Golon, A: Angélique - Die junge Marquise - Angélique 01. Marquise des Anges
mitgenommen, so leicht ist das nicht zu
entscheiden – seine Mätresse, die Herzogin von Longueville und Schwester des Prinzen von Condé...«
Der Marquis du Plessis verstummte, als sei ihm zwischen Wand und Decke eine Vision erschienen, während seinen Zuhörern unwillkürlich der Gedanke kam, dass Monsieur de Marcillac eine recht merkwürdige Art habe, die Ehre seiner Frau zu rächen.
»Seine Mätresse …«, wiederholte der Marquis in verzücktem Ton. »Was soll ich Euch über sie sagen? Anne-Geneviève de Condé, die Herzogin von Longueville... Alles an ihr erinnert an einen Engel! Ihr blassgoldenes Haar ist der reinste Heiligenschein. Ihr perlmuttschimmernder, rosiger Teint, diese Leichtigkeit in ihrem Gang und eine leise Schwermut in all ihren Gesten, die einen hoffen lässt, dass ihr in Euren Armen die Sinne schwinden... Und ihre Augen...«
Die Hände des Marquis flatterten ausdrucksvoll, und die Diamanten an seinen Ringen blitzten im Halbdunkel des Salons.
»Ihre Augen sind … türkis, ja, das ist es. Türkis. Sie ist von engelsgleicher Sanftheit, und dennoch … Eure Augen... Eure sind smaragdgrün«, erklärte er, an die Baronin gewandt. »Die ihren… türkis! Anne-Geneviève de Condé, Herzogin von Longueville …«, fuhr er fort. »Was ihre Männergeschichten angeht: Beaufort, der Marschall de Lamotte … was weiß ich...«
»Aber«, wandte Pulchérie, die sich bemühte, in diesen verwickelten Leidenschaften den Überblick zu bewahren, zögerlich ein, »bei dieser hübschen Person, die mit Monsieur de Marcillac... zusammen ist, handelt es sich doch um eine Prinzessin von Geblüt, also eine Verwandte der königlichen Familie.«
»Ja, und das sogar zweifach, denn die Longuevilles sind ebenfalls Prinzen von Geblüt.«
Er schien mit den Fingern in den Seiten seines unfehlbaren Gedächtnisses zu blättern.
»Sie stammen von Jean d’Orléans ab, dessen Erben alle höchste Ämter bekleidet haben. Sie gewannen Schlachten und erhielten den Herzogstitel. Léonor de Longueville erwirkte von Karl IX. schließlich die Verleihung des Titels Prinzen von Geblüt für die Herzöge von Longueville.
Das Letzte, was ich aus der Hauptstadt gehört habe, ist, dass die Herzoginnen von Longueville und Bouillon am Tag nach ihrer Ankunft im Rathaus erschienen, um dort zu logieren und das Geschehen in die Hand zu nehmen... Die Place de Grève war voller Menschen, die lautstark ihre Freude und Bewunderung kundtaten... Die Ratsherren waren zunächst dagegen. Aber sie zogen trotzdem ins Rathaus, und innerhalb weniger Stunden haben sie eine alte Kammer, die man ihnen überließ, in einen Salon verwandelt, in dem sich beim Klang von Geigen prächtig gekleidete Damen und Harnisch tragende Männer versammelten.
Und dort brachte die Prinzessin einige Tage darauf auch einen Sohn zur Welt, der mit Sicherheit unseren Poiteviner Marcillac zum Vater hat. Die Stadt hat um die Ehre gebeten, Patin des Kindes zu werden, und so wurde er Charles-Paris genannt. Getauft hat ihn Paul de Gondi, der Seigneur de Retz, obwohl er La Rochefoucauld hasst und der Herzogin von Longueville den Hof macht. Und der Herzog von Longueville, der wie jeder gute Ehemann vollkommen ahnungslos ist, hat ihm den Titel des Grafen de Saint-Pol verliehen, der seiner Familie gehört. Das ist der reinste Roman!«
»Das ist ein Skandal!«, rief der Großvater.
In dem folgenden Schweigen hörte man ein Schluchzen.
»Warum weinst du, Madelon?«
Angélique wusste, was ihre jüngere Schwester so bestürzt hatte.
»Weil Ihr den Namen eines Seigneur de Retz erwähnt habt, der in dieser Gegend als ein großer Schurke bekannt ist.«
»Ach so! Ich verstehe. Es handelt sich aber nicht um den gleichen Mann. Der, den ich meine, ist der Koadjutor des Erzbischofs von Paris. Er gehört zur Familie Gondi, die ein Anrecht auf den Titel de Retz hat, da die Region um das berühmte Schloss von Tiffauges zu ihrer Apanage gehört. Aber eigentlich könnte man durchaus behaupten, dass er ebenfalls ein ziemlicher Schurke ist.«
»Der Koadjutor des Erzbischofs! Ein Schurke!«, rief Pulchérie und schlug die Hände zusammen.
»Aber sicher. Und er scheut sich nicht, offen kundzutun, dass dieses Amt für ihn bloß ein weiterer Grund für sein lasterhaftes Leben sei, da er nie nach dem geistlichen Stand gestrebt habe. Man hat ihn dazu gezwungen, um die Stellung seines Onkels zu festigen, des Erzbischofs von Paris, der sich Legat von Retz nannte, und unser guter François de Gondi hat
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