Angélique - Die junge Marquise - Golon, A: Angélique - Die junge Marquise - Angélique 01. Marquise des Anges
sich gefügt. Er ist ein fantastischer Prediger, und seine Beredsamkeit war ihm eine große Hilfe dabei, das Volk in die Fronde zu führen, denn durch die Verteilung großzügiger Almosen hat er die Zuneigung der Armen und des Gesindels aus den üblen Vierteln gewonnen.«
»Und Monsieur le Prince, der ja seit dem Tod seines Vaters nicht mehr der Herzog von Enghien 5 ist«, fragte Baron Armand, der nicht zurückstehen wollte, »wie verhält er sich in dem ganzen Durcheinander?«
»Nun, wie ich bereits vorhin sagte, hat er sich, obwohl er Mazarin nicht leiden kann, für den König ausgesprochen und ist dem Hof nach Saint-Germain gefolgt …«
»Ah! Wenigstens das!«
»Er wird sicherlich keine Schwierigkeiten haben, die vom Parlament aufgestellte Armee in die Flucht zu schlagen, auch wenn sich Turenne in ihre Dienste gestellt hat. Aber man darf nicht vergessen, dass sich sein jüngerer Bruder, der Prinz von Conti, bereits auf die Seite der Aufständischen und vor allem
der betörenden Sirene Anne-Geneviève de Condé, der Herzogin von Longueville, geschlagen hat. Wird er den Lockrufen aus Paris widerstehen können...? Jeder weiß, dass die beiden Brüder bis über beide Ohren in ihre Schwester verliebt sind …«
»Oh!«, entfuhr es den schockierten Damen.
»Und Ihr, lieber Cousin«, fragte Armand, »was werdet Ihr tun, wenn Monsieur le Prince sich zu seinen Geschwistern gesellt und sich der Pariser Fronde anschließt?«
»Dann werde ich ihm selbstverständlich folgen.«
»Aber das ist Verrat!«, protestierte der Großvater entrüstet.
Der Marquis du Plessis-Bellière rechtfertigte sich mit der ganzen Unschuld eines Mannes, der sich an heilige Eide und feierliche Versprechen gebunden sah.
»Mir bleibt keine andere Wahl! Ich gehöre zu seinen Gefolgsleuten …«
»Verrat!«, wiederholte der alte Baron, während er sich empört in seinem Sitz aufrichtete.
Die Anwesenden waren wie vor den Kopf geschlagen, teils verblüfft und entzückt über all diese Geschichten, teils bemüht, einen nahezu unbeherrschbaren Lachreiz zu unterdrücken … oder auch den Drang zu weinen, als sie sahen, wie der Greis zornig mit seinem Stock auf den Steinboden klopfte.
Darauf bedacht, es nicht zu einem Eklat kommen zu lassen, verkündete die Schlossherrin, dass man sich nun zu Tisch begeben würde.
Armand stürzte vor, um den Arm seines Vaters zu nehmen und ihn zu stützen. Der Marquis bot seinen Arm der Baronin, und man stellte sich in einer Reihe auf. Philippe warf Angélique einen spöttischen Blick zu und forderte Hortense auf, die vor Stolz beinahe platzte. Josselin schnappte sich Angélique und flüsterte ihr zu, sie solle still sein. Die anderen Kinder
fassten sich bei der Hand und wanderten jeweils zu zweit hinter ihnen her. Und Raymond bildete mit der übertriebenen Förmlichkeit eines Familienkaplans den Schluss.
So gelangten sie ins Speisezimmer, wo alle rings um den Tisch Platz nahmen. Die Tatsache, dass zumindest der Etikette Genüge getan wurde, hatte den Großvater wieder besänftigt. Man konnte dem Marquis mit seiner unerschütterlichen guten Laune einfach nicht böse sein. Er war in der Stimmung, sich über alles zu amüsieren.
Die Miene seines Sohnes hingegen verfinsterte sich immer mehr, und er hörte nicht auf, sich kritisch umzuschauen. Seinetwegen wurden der Abend und das Essen für Angélique zur Qual. Jedes Versehen der Knechte, jede Unannehmlichkeit quittierte der Jüngling mit einem Seitenblick oder einem spöttischen Lächeln.
Jean-la-Cuirasse, der das Amt des Haushofmeisters versah, trug die Serviette über der Schulter, als er das Essen hereinbrachte. Der Marquis brach in schallendes Gelächter aus und erklärte, diese Art, die Serviette zu tragen, sei lediglich an der Tafel des Königs und der Prinzen von Geblüt üblich. Er fühle sich geschmeichelt über die Ehre, die man ihm erweise, aber er werde sich gerne damit begnügen, mit der Serviette über dem Unterarm bedient zu werden. Bereitwillig mühte sich der Fuhrknecht daraufhin ab, das schmutzige Tuch um seinen behaarten Arm zu wickeln, aber seine Ungeschicktheit und seine Seufzer verstärkten die Heiterkeit des Marquis nur noch, und es dauerte nicht lange, bis sein Sohn in sein Gelächter einstimmte.
»Diesen Mann sähe ich eher als einen Dragoner denn als Lakaien«, bemerkte der Marquis, während er Jean-la-Cuirasse zuschaute. »Was hältst du davon, Junge?«
Der eingeschüchterte Fuhrknecht antwortete mit einem Brummen, das eher einem
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