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Angélique - Die junge Marquise - Golon, A: Angélique - Die junge Marquise - Angélique 01. Marquise des Anges

Titel: Angélique - Die junge Marquise - Golon, A: Angélique - Die junge Marquise - Angélique 01. Marquise des Anges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Golon
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betrifft, so gehört er zwar dem geistlichen Stand an, aber nach allem, was darüber berichtet wird, hat sein Vorgehen etwas Ketzerisches, vor dem sich Rom in Acht nehmen sollte.«
    »Trotzdem wollte König Ludwig XIII. ihn kurz vor seinem Tod an die Spitze des Gewissensrats berufen.«
    »Was ist das denn schon wieder?«
    Mit leichtem Zupfen bauschte Monsieur du Plessis seine Ärmel aus feinstem Stoff.
    »Wie soll ich Euch das erklären? Es ist immens. Das Gewissen des Königreichs. Ja, Monsieur Vincent de Paul ist das Gewissen des Königreichs, so einfach ist das. Er sieht die Königin beinahe jeden Tag und wird von allen Prinzen empfangen. Dabei ist er der einfachste und fröhlichste Mensch, den man sich nur denken kann. Er geht davon aus, dass die Armut heilbar ist und die Großen dieser Welt ihm dabei helfen müssen, sie zu mindern.«
    »Reine Utopie!«, fiel ihm Tante Jeanne bissig ins Wort. »Die Armut ist, genau wie Ihr es vorhin über den Krieg sagtet, ein
Übel, das Gott zur Strafe für die Erbsünde über uns gesandt hat. Sich gegen seine Pflicht zu erheben kommt einer Auflehnung gegen die göttliche Zucht gleich!«
    »Monsieur Vincent, meine liebe Cousine, würde Euch erwidern, dass ›Ihr‹ für all die Übel ringsum verantwortlich seid. Ohne lange Worte würde er Euch zu den ärmsten Eurer Bauern schicken, um ihnen Arznei und Essen zu bringen. Und falls Ihr sie, um seinen Ausdruck zu benutzen, zu ›grob und irdisch‹ fändet, würde er entgegnen, dass Ihr nur die Medaille umzudrehen braucht, um dahinter das Antlitz des leidenden Christus zu erblicken. Auf diese Weise ist es diesem Teufelskerl gelungen, fast alle hochrangigen Persönlichkeiten des Königreichs in seine mildtätigen Reihen einzugliedern. Wie Ihr mich hier vor Euch seht«, fügte der Marquis mit kläglicher Miene hinzu, »habe ich selbst, als ich noch in Paris war, zweimal in der Woche das Hospital besucht, um Suppe auszuschenken und sie den Kranken zu reichen.«
    »Ihr werdet wohl nie aufhören, mich zu verblüffen!«, rief der Greis erregt. »Offensichtlich wissen Edelleute wie Ihr gar nicht mehr, was sie sich noch alles einfallen lassen sollen, um ihrem Wappen Schande zu machen. Ich muss feststellen, dass sich die Welt inzwischen verkehrt herum dreht. Man schafft Priester, um Priestern das Evangelium zu verkünden, und dann muss auch noch ein ausschweifender, frivoler Mensch wie Ihr daherkommen und einer ehrlichen, gesunden Familie wie der unseren Moralpredigten halten. Das ist zu viel für mich!«
    Erneut außer sich, stand der alte Baron auf, und da das Essen beendet war, folgten alle seinem Beispiel. Entschuldigend eilte der Marquis zu dem alten Baron hin, griff nach seinem Arm und überschüttete ihn mit Beteuerungen.
    Wie dem auch sei, nun herrsche ja die Fronde, also Krieg, sagte er. Monsieur Vincent war in Saint-Germain beim Hof, die Prinzen reisten durchs ganze Land, um Armeen aufzustellen,
und man hatte anderes im Kopf, als sich darüber Gedanken zu machen, wer den Armen ihre Suppe reichen sollte, da es den Armen bald ohnehin mehr denn je an Suppe mangeln würde.
    Die Gesellschaft kehrte in den großen Salon zurück.
    Angélique, die keinen Bissen hinuntergebracht hatte, schlüpfte aus dem Raum und floh auf die Wendeltreppe im Turm, wo man sich in den Winkeln verbergen konnte, die auf jedem Absatz für die Schießscharten eingerichtet worden waren.
    Merkwürdigerweise war ihr kalt, und eisige Schauer schüttelten sie. Nach der Euphorie und Begeisterung, die die Erzählungen des Marquis und vor allem die Einzelheiten über die Fronde in ihr geweckt hatten, verflog nun ihre Erregung und ließ sie erschöpft zurück. Bilder zogen vor ihrem inneren Auge vorbei: der König im Stroh, das rebellierende Parlament, die hohen Adligen, die den Armen Suppe reichten, Paris, eine Welt voller Leben und Verlockungen. Verglichen mit all diesen Leidenschaften und diesem Ungestüm hatte sie das Gefühl, selbst wie tot zu sein und in einem Grab zu leben. Immer wieder kehrten ihre Gedanken zu Philippe zurück.
    Morgen würde er fort sein. Morgen würden die beiden Herren Plessis erreichen, wo der Sieur Molines, ihr dienstfertiger Verwalter, dafür gesorgt hatte, dass das Schloss zu ihrem Empfang von einer großen Dienerschar geöffnet und geheizt worden war. In diesem Märchenschloss, auf das die prächtige Rosskastanienalle zuführte, wäre Philippe »zu Hause« … Und danach würde er nach Paris reiten, als Oberst seines eigenen Regiments. An

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