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Angélique - Die junge Marquise - Golon, A: Angélique - Die junge Marquise - Angélique 01. Marquise des Anges

Titel: Angélique - Die junge Marquise - Golon, A: Angélique - Die junge Marquise - Angélique 01. Marquise des Anges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Golon
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von Monteloup um die Kinder der Familie de Sancé errichtet hatte. Madelon würde nicht sterben!
    Angélique stützte den lockigen Kopf ihrer Schwester und hielt ihr einen Becher an die Lippen, der neben dem Bett stand. Die Kleine trank gierig.
    Sie lassen sie verdursten, dachte sie. Sie kümmern sich nicht richtig um sie! Was ist das überhaupt für ein Tee? Ein beruhigender Kräutertee? Der ist nicht stark genug. Ich kenne Heilpflanzen, die den Kranken zum Schwitzen bringen und die Krankheit aus seiner Haut treiben. Holunderblüten, Klettenblätter... Davon sollte sie trinken. Einen guten starken Tee, den ich ihr selbst aufbrühen würde.
    »Angélique«, murmelte Madelon, die die Augen geöffnet hatte.
    »Ja, Liebes?«
    »Erzähl mir etwas.«
    Angélique suchte in ihren Erinnerungen.
    »Was denn? Die Geschichte von Gilles de Retz und...«
    »Nein, nein! Die macht mir Angst. Jedes Mal, wenn ich die Augen schließe, sehe ich Kinder, die an den Mauern aufgehängt sind.«
    »Was denn sonst?«
    Das Einzige, was Angélique einfiel, waren furchteinflößende Geschichten von Räubern, Gespenstern oder bösen Kobolden.
    »Das ist mir egal«, seufzte Madelon, »Hauptsache, du erzählst. Du hast so eine schöne Stimme. Niemand hat eine Stimme wie du. Ich möchte sie gerne hören...«
    Angélique begann ihr von den kleinen Kindern von Monteloup
zu erzählen, von Marie-Agnès, Albert und dem Nesthäkchen Jean-Marie. Anfangs lächelte Madelon, doch dann schien sie erneut in ihrer Benommenheit zu versinken.
    Angélique verließ sie bald wieder. Es war Zeit für den Geschichtsunterricht, aber das war ihr egal.
    Eine Viertelstunde später war sie draußen im Gemüsegarten. Sie nahm eine Leiter, lehnte sie an die Mauer und sprang leichtfüßig hinab in die schmale Straße. Die Mauer war recht hoch, aber Angélique hatte nichts von ihrer früheren Gelenkigkeit verloren.
    Sie lief über das runde Kopfsteinpflaster durch Straßen, in denen die brütend heiße Luft stand. Vor den Hauswänden lagen Gestalten, die zu schlafen schienen. Wolken von gefräßigen Fliegen schwirrten um sie herum, und Angélique erkannte bald, dass es Leichen waren. Da begriff sie, vor welch grauenvoller Realität die Mauern des Ursulinenklosters ihre kleinen Schülerinnen bewahrten.
    Nach und nach glaubte sie in den Nebel jener finsteren Vorhölle einzutauchen, in der die Seelen des Fegefeuers umherirren sollten, oder gar in die Flammen der Hölle selbst, denn hier und da entdeckte sie hell lodernde Feuer, die sie sich nicht erklären konnte. Sie begegnete seltsamen schwarzen Gestalten, die paarweise durch die Straßen gingen. Die einen trugen eine Maske mit einem gekrümmten Vogelschnabel, die anderen einen löchrigen Trichter vor dem Gesicht. Es waren Ärzte, die in Begleitung ihrer Gehilfen die Häuser aufsuchten. Der Gehilfe trug eine Art Gießkanne, aus deren Löchern Schwaden eines heilsamen Räucherwerks aufstiegen.
    Angélique ging schneller. Sie hustete, der Rauch raubte ihr den Atem, aber nichts konnte sie aufhalten. Instinktiv wandte sie sich den höher gelegenen Bereichen der Stadt zu, wo die Luft besser sein würde.
    Tapfer stieg sie die immer steiler ansteigenden Treppen hinauf,
überquerte Plätze mit ausgetrockneten Brunnen, wo reglose Gestalten lagen. Die einzige Bewegung dazwischen bildete ein Ballett weiß gekleideter und mit weißen Kapuzen verhüllter Gespenster, die langsam von einem zum anderen gingen, sich über die Liegenden beugten und schließlich die Toten, die sie fanden, auf eine Bahre hoben. Eines der Gespenster setzte sich mit einer brennenden Wachskerze in der Hand psalmodierend an die Spitze des Zuges. Es waren die Mitglieder der Lazarus-Bruderschaft, die bei Epidemien die Toten fortbrachten und begruben. Sie übernahmen diese letzten und gefährlichen Aufgaben, wenn die eigentlichen Totengräber der Sprengel geflohen... oder tot waren.
    An dem Punkt, an dem die Stadt angelangt war, kam es nicht mehr in Frage, die Toten zu beerdigen. An den Kreuzungen hatte man Scheiterhaufen errichtet, auf die die Prozessionen und Leichenzüge zustrebten. Erst hatte man die Lumpen und die verseuchten Gegenstände verbrannt. Nun legte man die Leichen darauf, manche davon dürrer als die Zweige, die sie aufzehren sollten. Kohlenbecken lieferten die Glut für Weihrauchfässchen und Räucherapparate, die duftende Rauchschwaden verteilten, welche je nach Überzeugung derjenigen, die sie schwangen, vor Ansteckung oder dem schädlichen Einfluss von

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