Angélique - Hochzeit wider Willen
unterlegten Scherze oder die galant gehauchten Wortgeplänkel sprudelten nur so.
Angélique gab acht darauf, dass jeder seinen Durst stillen konnte, und ließ Tabletts mit leichtem Gebäck herumreichen.
Dieses ständige Kommen und Gehen sagte ihrem Wesen zu. So hatte sie kaum Verpflichtungen zu erfüllen und hätte fast glauben können, zu den Gästen des Palasts zu gehören; ja, sie verfügte noch über größere Freiheit bei der Gestaltung ihrer
Zeit als die anderen. Joffrey de Peyrac erinnerte sie nur sehr selten daran, dass sie mit ihm verheiratet war; beispielsweise wenn ein Ball beim Seneschall oder einem der hohen Beamten der Stadt stattfand und Madame de Peyrac als schönste Frau der Stadt mit dem kostbarsten Geschmeide auftreten musste.
Dann tauchte er ohne Vorankündigung in ihren Räumen auf, setzte sich in die Nähe des Frisiertisches und überwachte aufmerksam die Toilette der jungen Frau. Mit knappen Anweisungen lenkte er die geschickten Hände Marguerites und ihrer Kammerzofen. Keine Einzelheit entging ihm. Weiblicher Putz war ihm kein Geheimnis. Angélique staunte über die Genauigkeit seiner Beobachtungen und seine sorgfältigen Nachforschungen. Da sie guten Willens war, zu einer großen Dame von Stand zu werden, ließ sie sich kein Wort der Lektionen entgehen. In diesen Augenblicken vergaß sie ihren Groll und ihre Furcht.
Doch eines Abends, als sie sich – strahlend in einer Robe aus elfenbeinfarbener Seide mit einer hohen Halskrause aus mit Perlen bestickter Spitze – im großen Spiegel betrachtete, erblickte sie neben sich die dunkle Silhouette des Grafen de Peyrac, und mit einem Mal spürte sie die Verzweiflung auf ihren Schultern wie eine bleierne Last.
Was sollen mir Reichtum und Luxus, dachte sie, wenn mir dafür das schreckliche Schicksal beschieden ist, mein ganzes Leben an einen hinkenden, abscheulichen Ehemann gebunden zu sein!
Plötzlich bemerkte er, dass sie ihn im Spiegel ansah, und trat abrupt zur Seite.
»Was habt Ihr? Findet Ihr Euch nicht schön?«
Sie schenkte ihrem Spiegelblick einen trübsinnigen Blick.
»Doch, Monsieur«, antwortete sie unterwürfig.
»Und? Ihr könntet wenigstens lächeln.«
Da meinte sie, ihn ganz leise seufzen zu hören.
Kapitel 4
A n diesem Tag hatte Angélique beschlossen, die Treppe, die in die erste Etage führte, hinaufzusteigen.
Jeden Morgen, wenn sie ihre Wohnräume verließ und sich in die offiziellen Galerien, Säle und Zimmer begab, in denen sie Empfänge abhielten oder Bälle und Festessen gaben, war ihr, als schicke ihr diese Treppe, die sie zur Linken erahnte, so etwas wie einen Lockruf, eine Aufforderung, sie leichten Schrittes zu erklimmen.
Die Treppe war breit, großzügig, mit langen, flachen Stufen und bestand aus einem hellen Marmor, den das Licht, das von oben einfiel, zu manchen Tageszeiten mit einem warmen, goldenen Schimmer übergoss.
Eine solche Treppe hatte sie noch nie gesehen.
Kein Vergleich mit der Wendeltreppe im Turm von Monteloup, die grau und rissig war und deren störrische Stufen Madelon mit ihren kleinen Beinchen nur schwer hatte bewältigen können.
Da sie auf dem Heimweg – sonntags, wenn sie aus der Kathedrale kam, oder bei der Rückkehr von einem Spaziergang – ihr Wohnhaus schon öfter von außen gesehen hatte, war Angélique sich darüber klar, dass der Palast drei Etagen hatte; vier eigentlich, wenn man als erste Etage das Untergeschoss aus Lagerräumen, Kellern, Vorratskammern, Küchen und diversen Wohnungen rechnete, deren Öffnungen, Türen und Fenster,
zum Innenhof hinausführten. Wenn man dann noch das hohe vorspringende Gesims aus behauenem Stein zählte, von dem das Gebäude gekrönt wurde, kam man zusammen mit dem Dachgeschoss auf fünf Stockwerke.
Ihre Begleiter versäumten niemals, die wunderbare Terrasse zu erwähnen, die dort oben lag und wo in Sommernächten schöne Konzerte stattfanden. Viele bedauerten, dass der Graf de Peyrac nicht, wie in anderen Stadthäusern, noch einen Turm mit einer Kuppel und einer Aussichtsplattform hatte errichten lassen. Manche verglichen den Palast der fröhlichen Wissenschaft auch mit den Palästen Italiens, genauer gesagt, mit denen der Toskana, wie es hieß …
Doch alle waren sich einig darüber, dass der Palast unvergleichlich und von einer inspirierten Anmut war, die ihresgleichen suchte.
Angélique wurde bewusst, dass sie nur das Erdgeschoss und die Nebengebäude kannte. Ohnehin kam ihr der ganze Komplex riesig vor,
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