Angélique - Hochzeit wider Willen
meinte Contarini. »Man weiß, dass es verflucht ist, und doch fasziniert es nach wie vor! Niemand, der diese Stadt kennengelernt hat, kann sie vergessen
oder ihr deswegen grollen. Sie ist wie ein Götterbild und gehört niemandem als sich selbst. Und sie ist eine harte Stadt. Hinter ihrem heiteren Äußeren ist doch gerade hier die Inquisition entstanden, um Eure Ketzer zu vernichten. Sie hat sich mit ihrer flammenden Unnachgiebigkeit geschmückt... Was sage ich da, flammend!... So viele Scheiterhaufen. Eben haben wir von Bruno in Rom gesprochen. Doch ist es noch keine vierzig Jahre her, seit man den berühmten Gino Cesare Vanini verbrannt hat.«
»Dass er aber auch darauf beharren musste, die Unsterblichkeit der Seele zu bestreiten!«, wandte Joffrey ein.
»Man vermag eben nicht zu schweigen, wenn eine Wahrheit einem allzu grell ins Gesicht scheint!«
Verblüfft hörte Angélique, wie die beiden unbeschwert lachten, als hätten ihre Worte sie erfreut und enthüllt, dass sie in heimlichem Einvernehmen standen.
»Ich würde Euch jedenfalls zur Vorsicht raten, Fabricius«, meinte Joffrey. »Vanini war, nachdem er sein Amphiteatrum Aeternae Providentiae geschrieben hatte, so naiv, dass er den Versuch unternommen hat, seine Richter beim Tribunal der Inquisition zu überzeugen, doch Ihr solltet vielleicht nicht so laut kundgeben, dass Ihr ihm zustimmt.«
»Bah! Hier, unter Eurem Dach, habe ich nicht das Gefühl, in Gefahr zu sein.«
»Neugierige Ohren gibt es in jedem Palast.«
Als Angélique diese Worte aus dem Mund ihres Mannes hörte, begann ihr Herz heftig zu pochen. Argwöhnte er, dass sie lauschte? Mit einem Mal wagte sie nicht mehr sich zu rühren. Die kleinste Bewegung, das Rascheln ihres Kleids an der Wand konnte sie verraten, denn es war vollkommen still... Sie hatte plötzlich den Eindruck, auf magische Weise in ein anderes, unbekanntes
Gebäude versetzt worden zu sein, das von gesprächigen Geistern bewohnt und bevölkert war.
Langsam beruhigte sie sich wieder.
Die beiden Männer plauderten weiter.
Joffreys Überlegung schien auch sein Gegenüber aufgewühlt zu haben, denn dieser erging sich jetzt in Klagen, die von Beteuerungen unterbrochen wurden.
»Meine Lage wird immer unerträglicher«, erklärte er. »Wohin ich auch gehe, habe ich inzwischen das Gefühl, in Gefahr zu schweben; ich fürchte, dass man mich anzeigt und zum Scheiterhaufen verurteilt; und ich habe noch keine Zeit gehabt, mir eine Zuflucht zu suchen, wo ich in Frieden meine Werke vollenden könnte… Die ich brauche, um mich verteidigen zu können, und auch, damit man mich um meines gerechten menschlichen Wertes willen schätzt!
Ich weiß, Ihr habt mich früher optimistischer gekannt; da war ich jemand, der über die Hindernisse gelacht hat, wenn das Leben sich meinen romantischen Erwartungen entgegenstellte. Doch je älter ich werde, umso melancholischer werde ich. Wird mein Missgeschick denn nie ein Ende nehmen? Man beginnt an seinen treuen Freunden zu zweifeln und fragt sich, ob man jemals solche gehabt hat. Seht doch den großen Galileo, der zu seiner Zeit mit Ehren überhäuft wurde. Er war der größte Gelehrte und wurde von allen anerkannt. Und dann, mit einem Mal, kam sein Sturz, und alle ließen ihn im Stich.
Ich frage mich, ob nicht der Verlust seiner treuen Freunde am grausamsten für ihn gewesen ist; schlimmer, als zum Abschwören gezwungen zu werden. Nehmt zum Beispiel diesen Kardinal Barberini. War er nicht ein begeisterter Anhänger von Galileos Entdeckungen, und hat er ihn nicht überall empfohlen und ihn ermuntert, nach Rom zu kommen? Und dann hat er ihn vollständig fallen lassen.«
»Man muss aber zugestehen, dass Galileo ein etwas besonderer Fall war... Nicht alle unsere treuen Freunde werden Papst wie Kardinal Maffeo Barberini, der fast ohne eigenes Zutun nach dem Tod von Gregor XV. die Tiara empfangen hat und sich Urban VIII. nannte.
Wie hätte er, nachdem er einmal auf Petri Stuhl saß, sämtliche Fundamente der apostolischen Lehre erschüttern und dafür eintreten können, die Sonne bewege sich nicht? Eine unhaltbare Wahrheit! Und wie erklären, dass er das erfahren habe, indem er die Phasen eines Planeten namens Venus studierte? Sogar Päpste... nein, besonders Päpste haben das Recht, feige zu sein!«
Erneut brachen die beiden in einmütiges Gelächter aus.
Fabricius schien auf und ab zu gehen, denn immer wieder entgingen ihr rasch gesprochene Worte. Angélique überlegte, sich
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