Angélique - Hochzeit wider Willen
Tag über aufgewühlt und ängstlich.
Der feste Griff des Grafen hatte sie an ihr Entsetzen am ersten Abend erinnert, als er sie gepackt, festgehalten und wie ein Schilfrohr nach hinten gebogen hatte. Nie hätte sie gedacht, dass die Arme eines Mannes eine so besitzergreifende Kraft haben könnten. Hatte er ihr begreiflich machen wollen, dass er der Stärkere war und sie besiegen konnte, wenn er nur wollte? In diesem Moment hatte sie erkannt, dass jeder Versuch ihrerseits, sich zu wehren, vergeblich war. Sie war ihm hilflos ausgeliefert. Wie sie geschrien hatte!
Sofort hatte er sie losgelassen; so abrupt, dass sie beim Aufrichten beinahe gestürzt wäre. Er hatte gelacht, und er hatte geredet. Sie erinnerte sich nicht mehr genau an seine Worte; unbarmherzige Worte voller Ironie. Sie hatte nur noch sein verächtliches Versprechen in Erinnerung: »Ich werde Euch nicht zwingen...« Und dann hatte er mit einer verabscheuungswürdigen Sicherheit noch etwas gesagt.
»Aber Ihr werdet kommen... Sie kommen alle!«
Niemals!, sagte sich Angélique noch einmal. Es erstaunte sie, dass sie ihre eigenen trotzigen Worte so rasch vergessen hatte.
Wenn sie ganz ehrlich war, hatte sie es allein sich selbst zuzuschreiben, wenn Joffrey de Peyrac anderen Frauen mehr Aufmerksamkeit und Komplimente zukommen ließ als seiner Gattin.
Seine Galanterie war spontan, heiter, raffiniert, und es war keine Einbildung, dass die Damen sie mit offensichtlichem Vergnügen suchten.
Letztere gaben sich geziert, wie es unter den »Preziösen« in Paris Mode war.
»Wir sind hier im Palast der fröhlichen Wissenschaft«, sagte der Graf eines Tages zu ihr, indem er sie mitten im Trubel eines Empfangs überraschend zur Seite nahm. »Alles, was den Reiz des aquitanischen und somit auch des französischen höfischen Lebens ausmacht, findet sich zwangsläufig auch in diesen Mauern wieder. So hat Toulouse soeben die berühmten Blumenspiele begangen. Das goldene Veilchen hat ein junger Dichter aus dem Roussillon errungen. Aus allen Winkeln Frankreichs, ja, aus der ganzen Welt kommen die Verfasser von Rondeaus nach Toulouse, um sich dem Urteil der Gesellschaft zu stellen, die einst von der außerordentlichen Clémence Isaure, die in alten Zeiten die Troubadoure inspirierte, begründet wurde. Also fürchtet Euch nicht vor all den fremden Gesichtern, die in meinem Palast ein und aus gehen, Angélique. Wenn sie Euch stören und Ihr das Bedürfnis spürt, Euch ein wenig zurückzuziehen und auszuruhen, könnt Ihr Euch ganz nach Eurem Belieben in das Lustschlösschen an der Garonne begeben.«
Doch Angélique musste sich eingestehen, dass sie nicht den Wunsch hegte, sich abzusondern. Nach und nach ließ sie sich vom Zauber dieses beschwingten Lebens mitreißen.
Nachdem sie Angélique zunächst von oben herab behandelt hatten, entdeckten einige Damen doch ihren sprühenden Geist und nahmen sie in ihre Kreise auf.
Von diesem Gebäude gingen je nach der Tages- oder Nachtzeit so viele verschiedene Stimmungen aus, die zauberhaft, anziehend und manchmal ein wenig unheimlich waren, dass sie den Eindruck hatte, ständig einem Theaterstück beizuwohnen, das einzig dazu inszeniert war, sie zu faszinieren und auch glücklich zu machen. Und dennoch fühlte sie sich frei und fand
immer wieder Gelegenheiten, zu sich selbst zu finden und sich zu entfalten.
Angélique schwankte zwischen Furcht und Vertrauen. Sie war sich sicher, dass er sein Wort nicht brechen würde; doch manchmal konnte sie ein ängstliches Erschauern nicht unterdrücken.
Sie war die Gefangene des Hausherrn.
Oft setzte sie sich während der Stunden der Mittagsruhe in die Höhlung eines der großen Fenster der riesigen Galerie, die entlang einer ganzen Fassade des Palasts verlief und sich, wenn die Fenster offen waren, in eine Terrasse verwandelte, auf der ein angenehmer Lufthauch wehte.
In dieser Galerie wurde der Tisch gedeckt, wenn man im kleinen Freundeskreis speiste. Sie bot sich ebenfalls an, um einen Imbiss einzunehmen und, wenn es abends dämmerte und frisch wurde, einen kleinen Ball zu veranstalten.
Die großen, offiziellen Räume, in denen an ihrem Hochzeitstag der Empfang und das Festmahl stattgefunden hatten, gingen auf den Ehrenhof hinaus, in den die Kutschen mit den Gästen einfuhren, und lagen damit zur Stadt hin. In der Galerie dagegen konnte man leicht vergessen, wie nahe das lebhafte Treiben und der Lärm von Toulouse waren.
Auf der Rückseite des Palastes
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