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Angélique - Hochzeit wider Willen

Titel: Angélique - Hochzeit wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Golon
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noch sechs- oder achthundert Jahre später – die Zahl war unterschiedlich, je nachdem, wo man die Wurzeln des Übels oder den Beginn seiner Bekämpfung sah – keine Vergebung möglich war.

    Angélique fiel auf, dass der Hausherr nicht einschritt, wenn manchmal die Dispute über die Vergangenheit des Languedoc hochkochten. Bei einigen Gelegenheiten hatte sie gemeint, anhand seiner Silhouette, die sich dunkel vor dem Licht der Terrasse und dem Hintergrund der Stadt abzeichnete, eine zufriedene Haltung zu erkennen. Schilderten nicht manche Erzählungen, wie der Teufel sich, oft am Rand einer Tischgesellschaft, still zurückhielt und zusah, wie die Menschen einander mit Hass überschütteten und sich um ihr ewiges Seelenheil redeten?
    An diesem Tag meldete sie sich zum ersten Mal zu Wort.
     
    Bei den Mahlzeiten, zu denen sich stets wenigstens ein Dutzend Gäste einfanden, sprach Angélique selten und gab sich damit zufrieden, aufmerksam zu lauschen. Interessiert, oft amüsiert, hörte sie zu, begierig, aus dem zu lernen, was dieser oder jener unbedingt mitteilen und den Ohren seiner Freunde zu Gehör bringen wollte, um eine Meinung oder eine Zustimmung einzuholen. Oder der Sprecher wollte ganz einfach nur teilen und gemeinsam über eine originelle Anekdote oder ein Ereignis lachen, die der Erzähler kolportierte oder selbst erlebt hatte. Wenngleich sich alle der Disziplin beugten, die ihre adlige Erziehung ihnen eingeflößt hatte, so besaß nicht jeder einen edlen Charakter; insbesondere dann nicht, wenn sich die Unterhaltung um politische Ereignisse drehte. Und wie sie hatte feststellen können, wurde der Ton rasch umso lauter, je weiter man in die Vergangenheit zurückging. Das betraf insbesondere diesen lange zurückliegenden Kreuzzug gegen die Albigenser, der die Barbaren aus dem Norden in diese Provinz geführt hatte. Angélique begann gewisse Herren wiederzuerkennen und zu fürchten, die ihrem Gegenüber vorwarfen, ihnen ihr Land geraubt zu haben, als wäre es gestern geschehen, und mit dem Schwert gestikulierend lautstark Verrat schrien.

    Oder sie zogen die Legitimität eines Besitzes in Zweifel, auf dem schon viele Generationen gelebt hatten.
    »Er hat Euch zum Herrn über diese Ländereien gemacht!«, warf ein solcher Mensch dann seinem Gegner vor. »Ihr werdet immer ein Usurpator bleiben!«
    »Er«, das war Simon de Montfort, der an der Spitze der Kreuzfahrer gekommen war, um die feinsinnige Kultur des Südens zu zerstören, und der immer noch die Rolle eines Schreckgespensts für unartige Kinder zu spielen schien.
    »Pass nur auf! Simon de Montfort wird kommen und dich in die Hölle schleppen«, drohten Mütter ihren kleinen Schreihälsen.
    Angélique sah zu Joffrey de Peyrac, der am anderen Ende des Tisches saß, doch der schien nicht den Wunsch zu hegen, sich einzumischen.
     
    An diesem Tag erhob sie die Hand.
    »Monsieur«, sprach sie Monsieur de l’Isle-Olmès an, »mir wäre es doch lieber, Ihr würdet von Euren Troubadouren sprechen.«
     
    Die Wirkung, die sie erzielte, verblüffte sie.
    Der junge Raimond de l’Isle-Olmès warf sich praktisch vor ihr in den Staub, um sich zu entschuldigen. Sie sprach sich mit ihm und ihren Nachbarn aus und erklärte ihnen, wie sehr sie sich wünsche, so viel wie möglich über ihre neue Heimat zu lernen. Nach und nach erfasste das Gespräch die gesamte Tischrunde, und man ging von den Troubadouren auf die Liebe zur Poesie über, die sich in allerjüngster Zeit in Paris auszubreiten schien.
    Als Angélique zu dem Grafen, ihrem Mann, hinsah, glaubte sie, ihn lächeln zu sehen. Aber sein Lächeln war sehr schwierig zu deuten, weil es sich vorzugsweise als sarkastische Grimasse
äußerte. Nahm er ihr übel, dass sie eingeschritten war? Doch in der Folge hatte sie den Eindruck, dass er im Gegenteil zufrieden war zu sehen, wie sie manchmal das Spiel führte und vor allem den Überschwang allzu eifriger Disputanten bremste. Das entsprach ja auch ihrer Rolle als Hausherrin, die sie wie selbstverständlich übernahm, denn all das war sehr angenehm. Mehr und mehr vergaß sie, warum sie sich hier befand, und den Umstand, dass sie auf ewig an den Mann gefesselt war, der bei diesen Festen den Vorsitz führte.
    Ab und an brachte er ihr auf subtile Weise seine Existenz in Erinnerung.
     
    Eines Tages begegnete sie während eines Empfangs, bei dem es lebhaft zuging, seinem Blick, und er zwinkerte ihr verschwörerisch zu. Dann stand er mit einem Mal an ihrer Seite und ergriff

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